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Bitcoin und Elektroschrott – ist es wirklich so schlimm?

Die Debatte um die Nachhaltigkeit von Bitcoin kommt nicht zur Ruhe. Das Proof-of-Work-Mining verbraucht jedes Jahr rund 30,7 Kilotonnen an Hardware. Zurück bleibt Elektroschrott, bestehend aus Festplatten und Chips. Was steckt hinter dem E-Waste, den Bitcoin verantworten soll – ist es wirklich so schlimm?

Wenn es um das Thema Umwelt geht, hat Bitcoin (BTC) es nicht leicht. Die neue Blockchain-Technologie funktioniert als globales, dezentrales und sich selbst regulierendes Zahlungsnetzwerk. Es ist unumgänglich, dass das dazu notwendige Mining Strom verbraucht. Was viele nicht wissen: Die Energie braucht das Netzwerk auch dazu, sich selbst vor sogenannten 51%-Attacken zu schützen. Eine 51-Prozent-Attacke ist ein Angriffsvektor in Proof-of-Work-basierten Netzwerken. Dabei vereint ein Angreifer oder Hacker über die Hälfte der Rechenleistung (Hash Power) des Netzwerks auf sich. So könnte er die Blockchain verändern und Einträge fälschen.

Worum handelt es sich bei Elektroschrott?

Wie jeder Technologie-Bereich produziert auch das Bitcoin-Netzwerk Elektroschrott. Und der ist für die Umwelt ein stetiges Problem – zwar nicht in Österreich direkt vor unserer Haustüre. Aber global durch Müllhalden, Deponien, Verbrennung und Abfall bei der Wiederverwertung.

Doch was ist “E-waste” genau?

  • Mit Elektroschrott bezeichnet man jede Form von weggeworfenen oder unbrauchbaren Elektrogeräten und deren Einzelteile.
  • Der Begriff kann kaputte Grafikkarten, Batterien, Akkus, den ausrangierten Staubsauger, Lampen, Smartphones und vieles mehr umfassen.

Da in unserem digitalen Zeitalter elektronische Geräte nicht mehr wegzudenken sind, nimmt auch der elektronische Schrott stetig zu. In manchen Fällen lassen sich der Abfall oder zumindest Einzelteile wiederverwerten. Das ist auch notwendig, denn in den Geräten sind wertvolle Rohstoffe enthalten. Dazu zählen unter anderem Kupfer und vor allem sogenannte kritische Metalle wie Gold, Neodym, Indium, Kobalt, Tantal oder Palladium. Manche Bestandteile setzen Schadstoffe und Treibhausgase frei, darunter Cadmium, Blei oder Quecksilber. Weiterhin können diese Bestandteile für die Gesundheit schädliche Stoffe ausstossen.

Chips halten nicht ewig und gehen kaputt

Bitcoin und die Blockchain sind neue Technologien, die auch in Österreich immer mehr Verbreitung finden. Das Mining produziert E-waste. Beispiel: Die in der Hardware verwendeten ASIC-Chips halten nicht ewig. Nach einer bestimmten Nutzungsdauer nimmt ihre Performance ab oder sie geben gleich den Geist auf. Das führt zu immer grösseren Schrottbergen an Mining-Hardware. In unseren FAQ erklären wir, worum es sich bei ASIC genau handelt (siehe unten).

Alex de Vries, Gründer von Digiconomist

Elektromüll ist das Ergebnis schnell veraltender Mining-Hardware, die Miner wegen des Wettbewerbs ständig ersetzen.

Alex de Vries, Gründer von Digiconomist

Bitcoin produziert 30,7 Tonnen Schrott pro Jahr

Wie viel E-Schrott das Bitcoin-Mining produziert, hat Alex de Vries, Gründer von Digiconomist und angestellt bei der Niederländischen Bank in einer Studie untersucht. Seine Berechnungen veröffentlicht er im September 2021 im Journal “Resources, Conservation and Recycling“. Demnach produziert das Schürfen von BTC pro Jahr 30.700 Tonnen an Elektroschrott (Mai 2021). Die Gesamtmenge lässt sich mit dem Schrottberg vergleichen, den kleinere IT-Dienstleister in den Niederlanden pro Jahr produzieren.

Miner ersetzen Hardware oft frühzeitig

Laut den Berechnungen würde das durchschnittliche Mining-Gerät nach rund 1,29 Jahren auf dem Müll landen. Dann erzielt es gemäss de Vries nicht mehr die notwendige Performance, um einen neuen Block zu schürfen. Die Bitcoin-Miner würden es stattdessen mit neuer, besserer Hardware austauschen. “Die Miner wetteifern um die Entwicklung und den Einsatz effizienterer Mining-Hardware, um sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihrer Konkurrenz zu verschaffen”, sagt de Vries. Die Hardware veraltet schnell, die Miner ersetzen sie oft frühzeitig. Einige Mining-Geräte wiesen eine höhere Lebensdauer auf, wie etwa der Antminer S9. Das Produkt von Bitmain schaffe es auf durchschnittliche 3,9 Jahre Lebensdauer.

Weiterhin heisst es in der Studie, dass die Menge an Elektroschrott auf bis zu 64,4 Kilotonnen steigen könnte. Jedenfalls, solange der Kurs von Bitcoin wieder das Niveau vom Jahresbeginn 2021 erreichen sollte. Die steigende Nachfrage nach Mining-Hardware könnte auch zu Nachschubproblemen bei Halbleitern führen.

272 Gramm Elektroschrott pro Transaktion

Berechnet auf dieser Basis würde dies folgendes bedeuten:

  • Bei jeder Bitcoin-Transaktion entstehen durchschnittlich 272 Gramm Elektroschrott.
  • Das entspricht ungefähr dem Gewicht von zwei iPhone 12 minis. Allerdings geht es hierbei allein um das Gewicht, nicht um den Wert der darin enthaltenen Komponenten und Materialien.

Irreführend sind sensationslüsterne Überschriften, jede Bitcoin-Transaktion würde zwei iPhones kosten. Wie auch beim Stromverbrauch (Bitcoin nützt immer mehr grüne Energie) und der CO2-Produktion lohnt es sich, genauer hinzuschauen. So behauptet de Vries in seiner Studie, die ASIC-Miner würden nach dem Gebrauch auf dem Müll landen. Niemand verkaufe die Hardware, damit andere sie wiederverwenden könnten. Allerdings ist das nicht so sicher. Gebrauchte Miner für Bitcoin lassen sich auf eBay kaufen. Selbst noch Jahre, nachdem der Hersteller die Geräte auf dem Markt einführte. So finden sich heute noch Antminer S9 für 400 bis 600 US-Dollar auf eBay.

Nur 2 Prozent aller Miner verifizieren eine Transaktion

Es ist bekannt, dass Alex de Vries kein Freund von Bitcoin ist. Auf seiner Plattform “Digiconomist” setzen er und seine Autoren sich kritisch mit neuen Technologien auseinander. Dabei stehen vor allem Bitcoin und die Kryptowährungen im Vordergrund. Die kritische Haltung von de Vries kommt vielleicht nicht von ungefähr: Der Studienautor arbeitet bei der niederländischen Zentralbank. Und Banken tun sich bekanntlich eher schwer mit Kryptowährungen oder einem Digital-Euro, welche die Standard-Währungen dereinst ablösen könnten.

Studie: Schlechte Performance von Mining-Rigs

In einer Studie aus dem Jahr 2020 behauptete de Vries, dass 98% aller Mining-Rigs keine Transaktionen verifizieren. Nur ein kleiner Teil schaffe es jemals, den versteckten Hashwert zu finden und damit einen neuen Block zu schürfen.De Vries: “Sie nehmen im Grunde an einer gewaltigen Lotterie teil und alle 10 Minuten hat jemand Glück und kann den nächsten Block schaffen.”

Laut seiner Argumentation sei der Grossteil der Mining-Hardware damit komplett sinnlos. Und E-waste damit unnötig. Aber immerhin: Die meisten Mining-Geräte schliessen ihre Hashpower in einem Pool zusammen. Selbst Privat-Miner können mithilfe von Mining-Pools etwas verdienen, indem sie den Block Reward untereinander aufteilen.

Der Bitcoin-Anteil am weltweiten Elektroschrott

30,7 Kilotonnen E-waste, welche Bitcoin produziert, mögen sich erst einmal nach viel anhören. Gemessen am weltweiten Gesamtvolumen des E-Schrotts ist das jedoch eher wenig. So soll sich der gesamte Elektromüll im Jahre 2019 auf 53,6 Millionen Tonnen (53,6 Megatonnen) belaufen. Davon macht der von Bitcoin produzierte Schrott gerade mal 0,056 % aus, wie die Internationale Telekommunikations-Union (ITU) berichtet.

Das soll natürlich nicht bedeuten, dass die Krypto-Community sich keine Gedanken um die Folgen für die Umwelt machen muss. Diese Betrachtungen sollen lediglich die Verhältnisse verdeutlichen. Studien wie die von de Vries sind notwendig und wichtig, um eine Debatte anzustossen. Allerdings bildet sich um sie ein Narrativ, welches nur dazu zu dienen scheint, Bitcoin in ein schlechtes Licht zu rücken.

Elektroschrott: Auf die Perspektive kommt es an

Zum gängigen österreichischen Elektroschrott gehören Produkte wie Staubsauger, Föne, Mixer, Waschmaschinen, Klimaanlagen, Fernseher, Telefone und Taschenrechner. Wir könnten uns das Leben ohne die meisten von ihnen kaum vorstellen. Doch wieso sparen wir nicht in diesem Bereich den Elektroschrott ein? Sind Fernseher, Fön oder die Lampe unverzichtbar?

So nützlich sie sind, keines von ihnen sichert ein weltumspannendes, dezentrales Krypto-Zahlungsnetzwerk mit einer Marktkapitalisierung von 810 Milliarden US-Dollar. Egal, ob es um den Stromverbrauch oder um den E-waste geht: Es ist letztlich eine Frage der Perspektive. Jeder Industriezweig verbraucht eine bestimmte Menge an Energie und produziert eine bestimmte Menge an Abfall. Doch sie bieten einen Nutzen, weswegen wir die Nachteile in Kauf nehmen.

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Wieso fällt beim Krypto-Mining Elektroschrott an?

Die Miner verwenden für das PoW-Mining von Kryptowährungen CPUs, GPUs und spezielle ASIC-Miner. Diese Hardware läuft Tag und Nacht und führt dabei komplexe mathematische Aufgaben aus. Viele Miner stehen dicht gedrängt in grossen Server-Farmen. Früher oder später setzt der Verschleiss ein. Die Geräte erbringen nicht mehr die erforderliche Leistung oder gehen kaputt. Die Hardware muss entsorgt werden.

Warum verwenden die Miner ASIC-Chips für das Schürfen?

Je grösser und aktiver das Bitcoin-Netzwerk ist, desto höher sind die Anforderungen an die Mining-Hardware. Vor vielen Jahren liessen sich Bitcoin mit CPUs und Grafikkarten schürfen. Mittlerweile ist das Netzwerk jedoch so stark gewachsen, dass nur noch leistungsstarke ASICs diese Aufgabe erfüllen können. Andere PoW-Kryptowährungen lassen sich noch immer mit CPUs oder Grafikkarten minen.

Was genau ist bei der Blockchain mit ASIC gemeint?

Die Abkürzung ASIC steht für “Application-Specific Integrated Circuit”, übersetzt: Anwendungsspezifische integrierte Schaltung. Hierbei handelt es sich um spezielle Computer-Chips mit bestimmten Funktionen. Da sie allein auf diese Funktion hin entwickelt werden, bieten sie die beste Performance bei vergleichsweise geringen Kosten. ASIC-Miner zum Beispiel lassen sich nur für das Mining verwenden.

Was geschieht mit dem Elektroschrott von Mining-Farmen?

Viele Elektrogeräte, und das gilt auch für die Hardware von Mining-Farmen, lassen sich wiederverwerten. Beim Recyceln des E-Schrotts versucht man, die wertvollen Rohstoffe und Materialien wiederzugewinnen. Dazu zählen vor allem die “kritischen Metalle” wie Gold, Neodym, Indium, Kobalt, Tantal oder Palladium. Mitunter entstehen dabei gesundheitlich bedenkliche und umweltschädliche Stoffe. Daher kann Elektroschrott ein Problem für die Umwelt sein.

Alexander Naumann

Freier Autor | Master in Indologie und vorislamischer Archäologie
Schwerpunkte: Tokenisierung | NFTs | Kryptowährungen | Blockchain-Technologie

Alexander Naumann

Freier Autor | Master in Indologie und vorislamischer Archäologie
Schwerpunkte: Tokenisierung | NFTs | Kryptowährungen | Blockchain-Technologie