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Das Metaverse – Hintergründe der digitalen Über-Welt

Für Facebooks Mark Zuckerberg ist das Metaverse die Zukunft des Internets. Kritiker sehen die Autonomie der Nutzer in der digitalen Über-Welt gefährdet. Wir erklären, was es mit dem Web 3.0 auf sich hat.

“Metaverse” ist eine Zusammensetzung aus “meta” – im Sinne von “übergeordnet” – und “universe”. Geprägt hat den Begriff vor 30 Jahren der Science-Fiction-Autor Neal Stephenson. In seinem Roman “Snow Crash” leben Menschen als Avatare in einer gigantischen virtuellen Welt. Die Idee des digitalen Paralleluniversums begeistert seitdem die Community in den Silikon Valleys weltweit und auch in Österreich. In den Vorstellungen revolutioniert das Metaversum als Web 3.0 die digitale Infrastruktur: Das Netz der Zukunft vereint virtuelle Welten, das klassische Internet und Elemente des echten Lebens in einem grenzenlosen, kollektiven Cyberspace.

Sieben Eigenschaften des Metaverse

Wie genau das Metaversum aussehen wird, vermag derzeit niemand zu sagen. Der kanadische Digital-Media-Experte Matthew Ball hat sieben Eigenschaften identifiziert, die die virtuelle Über-Welt auszeichnen:

  1. Das Metaversum hört nie auf. Es gibt weder “Pause” noch “Stop” und auch kein “Reset”.
  2. Das Metaversum ist synchron und live. Das Erlebnis existiert für alle fortlaufend und in Echtzeit.
  3. Es gibt keine Nutzer-Obergrenze. Jeder kann teilhaben – zusammen, gleichzeitig und individuell agierend.
  4. Das Metaversum ist ein voll funktionsfähiges Wirtschaftssystem. Individuen und Unternehmen erschaffen, besitzen, investieren und können sich für jegliche Art von Leistung, die für andere einen Wert darstellt, bezahlen lassen.
  5. Das Metaversum umfasst die digitale und die physische Welt, private und öffentliche Netzwerke, offene und geschlossene Plattformen.
  6. Das Metaversum bietet eine beispiellose Kompatibilität. Digitale Objekte sind nicht länger nur innerhalb einer bestimmten virtuellen Welt ­– zum Beispiel einem Computerspiel – vorhanden. Sie sind transferierbar.
  7. Das Metaversum gehört nicht einem einzelnen Unternehmen. Eine sehr grosse Anzahl von Teilnehmern schafft und betreibt es ­– vom privaten Nutzer bis zum kommerziellen Anbieter.  

Web 3.0 als Nachfolger des mobilen Internets

Beim mobilen Web 2.0 haben wir als Nutzer in Österreich über einen Bildschirm Zugriff auf Online-Services. Beim Web 3.0 brauchen wir weder Smartphone noch Tablet oder Computer, um Websites zu besuchen, Filme zu streamen, online zu spielen und mit anderen zu kommunizieren. Wir interagieren in 3-D-Umgebungen. Möglich macht das VR- und AR-Technologie. Was das Netz der Zukunft aber vor allem von seinem Vorgänger unterscheidet: Es ist grenzenlos. Nutzer besitzen Digital Assets in Form von Non-Fungibel-Tokens (NFTs) und transportieren sie so selbstverständlich von A nach B wie Güter in der analogen Welt. Das Skin aus Counterstrike findet bei der Fortnite-Waffe Verwendung und der Besitzer kann es per Whatsapp einem Freund zur Verfügung stellen.

Spielehersteller sind treibende Kraft

Noch ist ein konsequent zu Ende gedachtes Metaverse mittelferne Zukunftsmusik. Computerspiele-Herstellern arbeiten aber auf Hochtouren an der Umsetzung. Einiges geht jetzt schon. Mit den neuen “Partywelten” haben die Fortnite-Entwickler das Wettkampfspiel um eine „Social“-Komponente erweitert – und tun dabei einen grossen Schritt in Richtung Metaversum. Auf Plattformen wie Decentraland und im Blockchain-Spiel The Sandbox kaufen Community-Mitglieder virtuelles Land in Form von NFTs und bauen sich mit ihrem Eigentum eine Metaverse-Existenz auf.

Portrait Douglas Rushkoff, Professor für Medienwissenschaften an der City University of New York's Queens College

Das Metaverse macht nicht Technologie kompatibel mit Menschen, sondern Menschen kompatibel mit Technologie.

Douglas Rushkoff, Professor für Medienwissenschaften an der City University of New York’s Queens College

Facebook auf dem Weg ins Metaversum

Auch die grossen Technologiekonzerne haben das Metaversum als neuestes Makroziel für sich entdeckt. Facebook änderte gerade den Unternehmensnamen dafür. “Meta” gibt die neue Richtung vor: Von der Social-Media-Gegenwart in eine Zukunft, die virtuellen Raum mit physischem verknüpft. Meta-Chef Mark Zuckerberg will dafür die unterschiedlichsten digitalen Services miteinander verbinden. Wenn es so weit ist, sollen Nutzer ihre Virtual Reality Headsets und ihre AR-Brillen aufsetzen und sich von ihrem Home Space aus im Metaverse treffen, um zu netzwerken, zu spielen, zu arbeiten – sogar mit echtem Blickkontakt bei Meetings. Bereits 2014 kaufte Facebook dafür den VR-Brillenhersteller Oculus. Im Sommer stellte der Konzern seine erste AR-Brille vor – das neue Tool für die soziale Vernetzung.

Wachstumsmarkt Metaverse

Jahr
Marktvolumen in Milliarden $
2021
30,7
2022
58,7
2023
124,4
2024
296,9
Quelle: Statista 2021 / Token Info Port
Mann mit Cyberbrille im Metaverse
Fortbewegung in virtuellen Welten: Metaverse bestimmt die Zukunft mit.

Das Metaverse ist ein Wachstumsmarkt

Experten erwarten, dass das Metaverse in den kommenden Jahren eine Revolution des World Wide Web auslösen wird – mit weitreichenden ökonomischen Folgen. Um ihre Vision der Über-Welt umzusetzen, brauchen Unternehmen Geld: für KI, für leistungsstarke Hardware, Software, VR- und AR-Ausstattung und haptische Ausrüstungen, die den Nutzer die virtuelle Welt auch fühlen lassen. Spieleproduzent Epic Games führte im April eine zusätzliche Finanzierungsrunde durch und sicherte sich eine Milliarde US-Dollar für den Ausbau seines Metaversums. Statista erwartet in den nächsten drei Jahren ein Wachstum des weltweiten Marktes für Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und Mixed Reality (MR) von 30,7 Milliarden auf fast 300 Milliarden US-Dollar.

Metaverse-Aktien wecken Anleger-Fantasien

Das Potenzial der Metaverse-Vision zeigt sich auch auf den Finanzmärkten. Die Fantasien der Anleger sind geweckt ­– das belegt unter anderem der Roblox-Börsengang: Fast 40 Milliarden US-Dollar betrug die Marktkapitalisierung der Online-Spieleplattform am ersten Handelstag – bei einem  Umsatz von nicht einmal einer Milliarde Dollar in 2020. Wer Metaverse-Aktien kaufen will, kann aus einem breiten Spektrum wählen: von Plattformentwicklern über Softwareunternehmen bis zu Hardwareherstellern. 15 Werte hat das Schweizer Investmenthaus Vontabel in einem Metaverse-Basket zusammengestellt. Metaverse-Aktien sind vielversprechend, aber wegen der grossen Volatilität nur für risikofreudige Anleger geeignet. Die können teilweise signifikante Gewinne verzeichnen: Die Kurse von Sandbox und Decentraland stiegen Anfang November innerhalb von sieben Tagen um mehr als 263 beziehungsweise 275 Prozent.

Ist das Metaverse eine Gefahr?

Mark Zuckerbergs jüngste Keynote, die uns mit auf einen Rundgang durch seine schöne neue Meta-Welt nimmt, hat eine Debatte über die soziokulturellen Konsequenzen in Gang gesetzt. Douglas Rushkoff, Professor für Medienwissenschaften an der City University of New York’s Queens College, sagt: “Das Metaverse macht nicht Technologie kompatibel mit Menschen, sondern Menschen kompatibel mit Technologie.” Experten warnen davor, dass ein einzelnes Unternehmen das Metaverse kontrollieren könnte und damit die Kontrolle über den virtuellen Raum hätte. Viele sehen die Lösung in einer dezentralen Infrastruktur auf Blockchain-Basis.

Weniger Risiko durch aggressive Regulierung

Der US-Computerwissenschaftler und CEO von Unanimous AI Louis Rosenberg ist sich sicher, dass das Metaverse mit seinen Anwendungsmöglichkeiten unser Leben und unser Menschsein bereichern wird. Aber auch er sieht die Risiken. Die Schwachstellen von Social-Media-Plattformen – die Gefahr der Manipulation und die fehlende Datensicherheit – sind in einem Metaversum, das auf biometrischen Informationen seiner Nutzer aufbaut, noch ausgeprägter. Regulierung ist deshalb für ihn unabdingbar: “Der beste Weg, die Magie möglich zu machen und die Risiken zu vermeiden, ist, den Raum aggressiv zu regulieren.” Dabei sieht er akuten Handlungsbedarf: “Wir müssen jetzt damit anfangen, bevor die Probleme so tief in der Infrastruktur und den Geschäftsmodellen verwurzelt sind, dass wir sie nicht mehr gelöst bekommen.”

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Was unterscheidet das Web 3.0 vom Web 2.0?

Auf das mobile Web 2.0 haben wir über einen Bildschirm Zugriff. Im Web 3.0 bewegen wir uns mit Virtual Reality Headset und AR-Brille und können als Avatare auftreten. Wir besitzen digitale Güter in Form von Non-Fungibel-Tokens (NFTs), die wir überall im Metaversum nutzen können.

Gibt es das Metaverse schon?

Bislang existiert das Metaversum im Wesentlichen in den Vorstellungen von Mark Zuckerberg und Co. Computerspiele-Hersteller und Technologiekonzerne arbeiten aber mit Hochdruck an der Umsetzung. Wie genau die aussehen wird, wissen wir nicht. Experten gehen davon aus, dass es noch Jahre dauern wird, aber dass das Metaverse kommen wird.

Welche Gefahren birgt das Metaverse?

In einem zentral organisierten Metaverse hätte ein einzelnes Unternehmen die Kontrolle über den virtuellen Raum. Die Gefahr der Manipulation und des Datenmissbrauchs besteht in jedem sozialen Netzwerk. Im Metaversum ist sie umso grösser, weil es zusätzlich biometrische Daten verarbeitet.

Sabine Melichar

Redakteurin | MBA Universität Köln / San Diego State University
Schwerpunkte: Tokenisierung | Digitalisierung von Unternehmen | Berufsbildung | Gesellschaft

Sabine Melichar

Redakteurin | MBA Universität Köln / San Diego State University
Schwerpunkte: Tokenisierung | Digitalisierung von Unternehmen | Berufsbildung | Gesellschaft