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Die Immobilien-Tokenisierung einfach erklärt

Der Markt für tokenisierte Immobilien wächst. Die Blockchain-Technologie digitalisiert die Immobilienwirtschaft. Was aber haben Anleger von Immobilien-Tokens, wie steht es um Rendite und Risiko? Sicher ist: Noch gibt es keine „echte“ Immobilien-Tokenisierung. Wir geben einen Überblick zum aktuellen Stand.

Immobilien zählen zu den illiquiden Vermögenswerten. Sie sind kapitalintensiv und schwer zu handeln. Daher sind sie traditionell eine Anlage für vermögende Privatpersonen oder institutionelle Investoren. Für Kleinanleger war diese Assetklasse bislang weitestgehend unzugänglich. Mit Immobilien-Tokens hat sich das geändert.

Wie funktioniert eine Immobilien-Tokenisierung?

Bei einer Tokenisierung zerteilt der Anbieter tokenisierter Immobilien ein betreffendes Objekt in viele, kleine Anteile – sogenannte Tokens. Diese Tokens bilden die Immobilie digital auf der Blockchain ab. Investoren in Österreich können die Tokens kaufen und so mit kleinen Anlagesummern ein anteiliges Eigentum an einer Immobilie erwerben. Damit haben sie Anspruch auf anteilige Gewinne aus der Immobilie durch Mieteinnahmen oder Wertsteigerung. Die Tokens können sie auf der Blockchain wieder verkaufen.

Die Zahl der Anbieter wächst

Mit dem AspenCoin kam 2018 eines der ersten Immobilien-Token-Investments auf den Markt. Mittlerweile ist die Liste der weltweiten Anbieter gewachsen – auf aktuell 41 Immobilien-Tokenisierer. Über die Hälfte davon sitzt in Europa, wie unsere Liste mit Anbietern zeigt. Bei Unternehmen wie BrickMark, Brickbuy, Finexity, Exporo und Crowdlitoken können sich Kleinanleger an Mehrfamilienhäusern und Bürogebäuden beteiligen: in Form von Tokens. Die meisten Immobilien-Tokenisierer sind Fintechs – junge Unternehmen, die mit Krypto-Finanzierungen Bauprojekte realisieren und Immobilienkäufe tätigen.  

Hohe Renditen haben immer ein hohes Risiko

Bürokratische Hürden wie Notartermin und Grundbucheintrag sind aus dem Weg geräumt. Investments verbinden die Vorteile von günstigen Transaktionskosten mit vergleichsweise hohen Renditen. Die Rendite von Immobilien-Tokens ergibt sich direkt aus den Gewinnen, die die Immobilie erwirtschaftet. Österreichische Investoren gehen aber trotzdem einige Risiken ein, wie folgende Liste zeigt:

  • Bei den meisten Immobilien-Anlagen handelt es sich um tokenisierte Schuldverschreibungen und keine „echten“ Tokens.
  • Mietausfälle gehören zu den klassischen Risiken eines Immobilieninvestments. Investoren bekommen auch Mietzinseinbrüche zu spüren.
  • Mangelnden Expertise bei der Bewertung von Objekten birgt auch auf der Blockchain die Gefahr, Schrottimmobilien zu kaufen.

Wir haben in einem separaten Beitrag ausführlich über die Risiken von Immobilien-Tokens geschrieben.

Portrait Dr. Cyrus de la Rubia, Chief Economist und Head of Research bei der Hamburg Commercial Bank (HCOB)

Um anteiliges Immobilieneigentum abzubilden, benötigen wir eine umfassende Blockchainisierung der Volkswirtschaft.

Dr. Cyrus de la Rubia, Chief Economist und Head of Research bei der Hamburg Commercial Bank (HCOB)

Immobilien-Tokens kaufen – wie geht das?

Viele Immobilien-Token-Investments sind schon ab einer Einlage von 500 Euro möglich. Auch Kleinstanleger haben so die Möglichkeit, ihr Portfolio mit Immobilien zu diversifizieren. Die Anbieter verlangen eine einfache Registrierung per E-Mail, um einen Account zu erstellen. Wie bei jeder Kontoeröffnung muss man sich identifizieren. Das geht auch online über eine digitale Authentifizierung. Danach kann man in wenigen Klicks in digitale Anteile investieren. Für die Abwicklung der Käufe und Verkäufe hat jeder registrierte Nutzer eine in die jeweilige Plattform integrierte E-Wallet mit einem digitalen Guthabenkonto. Das übernimmt die Funktion einer virtuellen Geldbörse. Man kann darauf jederzeit in unbegrenzter Höhe Geld einzahlen, mit dem man digitale Anteile in Echtzeit kaufen und sich Erlöse aus dem Verkauf auf sein Bankkonto auszahlen lassen kann.  

Echte Immobilien-Tokenisierung noch nicht möglich

Die Liste der Anbieter wird stetig länger. Die Nachfrage ist aktuell allerdings noch überschaubar. Crowdlitoken hatte laut MoneyToday Ende 2020 gerade einmal 608 Investoren aus 6 Ländern. Zudem haben alle Projekte eines gemein: Sie tokenisieren nicht die Immobilie selbst, sondern ein Genussrecht, eine Aktie, eine Anleihe oder einen Fonds. Als Wertpapiere verpackte Schuldforderungen sind keine Tokenisierung im Sinne einer Kryptowährung. Das räumt auch Exporo-Co-Geschäftsführer Patrick Hartmann im Interview ein: “Der von uns eingesetzte Security Token repräsentiert das Recht des Kunden auf laufende Erträge und Wertsteigerungen der darunter liegenden Immobilie.” Nicht also auf die Immobilie an sich. Der Grund: Anders geht es bislang nicht. “EU-weit ist eine wirkliche Tokenisierung von Immobilien rechtlich kaum möglich und derzeit noch nicht skalierbar.” Vieles, was die Immobilienwirtschaft sich von der Blockchain-Technologie verspricht, lässt sich also bislang nicht umsetzen, weil die Grundvoraussetzungen fehlen.

Familie zu Hause auf dem Sofa.
Familie im trauten Heim: Noch gibt es keine “echte” Immobilien-Tokenisierung.

Tokens in einer ideale Immobilienwelt

Dabei ist die Idealvorstellung der Immobilien-Tokenisierung so schön: Jedem Token-Besitzer gehört ein entsprechender Anteil am Gebäude. Damit hat er einen anteiligen Anspruch auf die Mieteinnahmen und kann seine Tokens jederzeit auf dem Sekundärmarkt wieder verkaufen oder auch verpfänden. Gleichzeitig zahlt er anteilige Grundsteuern, trägt Reparaturkosten und bedient Versicherungsprämien – alles wie bei einer echten Immobilie.

Blockchainisierung der Volkswirtschaft notwendig

Dr. Cyrus de la Rubia, Chief Economist und Head of Research bei der Hamburg Commercial Bank (HCOB), sieht diese ideale Immobilienwelt kommen. Darin wird alles vollautomatisch über die Blockchain abgewickelt. Die Voraussetzungen für die Abbildung von anteiligem Immobilieneigentum seien allerdings sehr hoch, so der Ökonom: “Wir benötigen dafür eine umfassende ‚Blockchainisierung‘ der Volkswirtschaft.”

Wichtige Gesetze fehlen auch fürs Grundbuch

Die primäre Voraussetzung für tokenisierte Immobilien ist ein ausreichend ausgearbeitetes regulatorisches Umfeld. Zu diesem Schluss kommen Cyrus de la Rubia und sein Kollege Prof. Dr. Philipp Sandner vom Frankfurt School Blockchain Center in eingangs erwähnter Studie. Das juristische Fundament fehlt aber – für alle Vermögenswerte auf der Blockchain. Das gilt auch für Autos, Weine und Rennpferde-Tokens. Bei tokenisierten Immobilien ist schon das Grundbuch ein Problem. Nur das legt fest, wem eine Immobilie gehört. Wäre es digital abgebildet, könnte die Blockchain es vollautomatisch aktualisieren und effizient verwalten, sagt Cyrus de la Rubia. Aber auch hierfür fehlt eine entsprechende Gesetzgebung. Hier wären Behörden wie das Schweizer Bundesamt für Justiz oder das Deutsche Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz gefragt. Und: “Solange das Grundbuch nicht auf der Blockchain ist, kann keine direkte Tokenisierung stattfinden.”

Nötig wären automatisierte Verträge

Der abgestimmte Gesetzesrahmen allein würde allerdings auch nicht reichen, um Immobilien ganzheitlich auf der Blockchain abzubilden – und die Vorteile der Technologie voll auszuschöpfen. “Es braucht auch eine Revolution im Versicherungssektor hin zu automatisierten Verträgen und rasche Fortschritte beim Internet of Things,” sagt Cyrus de la Rubia. Denn ohne physische Unterstützung geht es nicht. Die gäbe es in Form von Sensoren an den jeweiligen Immobilien – sogenannten “Oracles”. Ihre Aufgabe: Strom- und Wasserverbrauch aufzuzeichnen, die Funktionsfähigkeit elektrischer Geräte zu prüfen und bei Bedarf Reparaturen und Wartungen zu veranlassen. Wenn der Vertragshandwerker dann noch der Blockchain angeschlossen ist, erhält er sofort Einsicht in die Fehlermeldung.

Immobilienmanagement vollautomatisch

Denkt man die diese Idee konsequent weiter, käme die schöne neue Immobilienwelt komplett ohne Intermediäre aus. Alle Verträge lägen in Form von Smart Contracts vor – nicht korrumpierbar und sich vollautomatisch selbst erfüllend. Der Immobilienverwalter wäre dann nur noch eine Software. Bislang ist das alles schöne Utopie. Laut Cyrus de la Rubia muss es die aber nicht bleiben. Denn: “Die Technologie hat disruptives Potenzial. Sie kann den Immobilienmarkt sehr viel effizienter machen.”

Auch Refinanzierung per Token denkbar

Zudem schafft sie auch neue Möglichkeiten für Investoren und Eigentümer. Denn sämtliche Rechte, Pflichten und Transaktionen lassen sich in Smart Contracts auf der Blockchain rechtssicher für alle Beteiligten abzubilden.

  • Mit Refinanzierungen auf der Blockchain können Hauseigentümer Hypothekenkredite vorzeitig ablösen oder schon im Vorfeld umgehen. Sie müssen dafür nur die eigene Immobilie tokenisieren und einen Teil der Token an Dritte verkaufen.
  • Auch für Rent-to-Own-Modelle bietet die Blockchain gute Perspektiven. Mieter einer tokenisierten Immobilie kaufen einen Teil der Tokens. Der Anspruch auf Mieteinnahmen, den sie damit haben, reduziert die eigenen Mietausgaben. Das gesparte Geld hilft, mit der Zeit das notwendige Eigenkapital für einen Immobilienkauf anzusammeln.
  • Öffentliche Bauvorhaben lassen sich als Gemeinschaftsprojekte mit Token finanzieren. Lokale Investoren können Gemeinden und Städte finanziell entlasten – zum Beispiel beim Bau von Krankenhäusern oder der Restaurierung historischer Architektur.

Die Zukunft gehört echten Immobilien-Tokens

Cyrus de la Rubia und Philipp Sandner erwarten zwar, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis das regulatorische Umfeld für echte Immobilien-Tokens ausgereift ist. “Doch Trends rund um die Tokenisierung in anderen Bereichen könnten sogar noch Synergien hervorrufen. Gerade die grosse Begeisterung rund um teils verrückte und teure NFTs treibt Entwicklungen im Token-Bereich weiter voran”, so das Fazit in ihrer Studie. In Zukunft können Token-Besitzer dann vielleicht nicht nur wirklich einen Teil einer Immobilie ihr Eigen nennen, sondern auch eines Kunstwerks, eines Brillanten oder eines edlen Galoppers.

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Kann man aktuell echte Immobilien-Tokens kaufen?

Nein. Im Moment gibt es nur Immobilien-Tokens in Form von Genussrechten, Anleihen oder Fonds. Eine Immobilien-Tokenisierung im eigentlichen Sinne findet nicht statt, weil unter anderem die gesetzlichen Grundlagen fehlen.

Was braucht es für richtig tokenisierte Immobilien?

Grundbücher müssten digitalisiert auf der Blockchain liegen. Der Versicherungssektor müsste auf komplett automatisierte Verträge umstellen. Das Internet of Things (IoT) müsste sich schnell weiter durchsetzen.

Wofür kann ich echte Immobilien-Tokens verwenden?

Wenn sich alle Rechte, Pflichten und Transaktionen rechtssicher für alle Beteiligten in Smart Contracts auf der Blockchain abbilden lassen, können Hauseigentümer die eigene Immobilie tokenisieren. Mieter können Anteile an einer tokenisierten Immobilie kaufen, die sie bewohnen. Städte und Gemeinden können lokale Investoren an öffentlichen Bauprojekten beteiligen.

Sabine Melichar

Redakteurin | MBA Universität Köln / San Diego State University
Schwerpunkte: Tokenisierung | Digitalisierung von Unternehmen | Berufsbildung | Gesellschaft

Sabine Melichar

Redakteurin | MBA Universität Köln / San Diego State University
Schwerpunkte: Tokenisierung | Digitalisierung von Unternehmen | Berufsbildung | Gesellschaft