Das Hamburger Fintech Finexity betreibt eine Internetplattform, auf der Anleger in tokenisierte Sachwerte investieren und damit handeln können. Gestartet ist Finexity 2019 mit der Vermittlung von Immobilien. Ein Jahr später brachten die Gründer Kunst und edle Weine in Form von Token als weitere Assetklassen auf die Plattform. Seit Juli bietet der Online-Marktplatz nun auch tokenisierte Diamanten als Investobjekte an. Weitere sollen folgen. Finexity-Mitgründer und Head of Blockchain Tim Janssen sagt: “Mit unserem ersten Immobilienprojekt haben wir bewiesen, dass die Blockchain als Infrastruktur für solche Projekte funktioniert. Mit neuen Assetklassen können wir die Märkte zunehmend liberalisieren.”
Die Blockchain als neues “Internet der Werte”
Tim Janssen ist wie Finexity-CTO Henning Wagner von Hause aus ein IT-Spezialist. CEO-Paul Hülsmann kommt aus dem Finanzbereich. Klassische Banker sind alle nicht. Die drei sahen aber das Potenzial der neuen Technologie – und eine Aufbruchsstimmung, die sie an die Anfänge des Internets erinnerte. Die Blockchain stehe aktuell da, wo das World Wide Web vor 20 Jahren war. Aber sie sei im Begriff, das neue Internet der Werte zu werden. “Was wir mit unserer Tokenisierung tun, das sind Anwendungen, die wir uns vorher nicht hätten vorstellen können.”
Finexity mit Blockchain made in Germany
Die Kryptobranche sehe fast täglich neue Initial Coin Offerings, sagt Tim Janssen. Unternehmen gäben Tokens für Ideen aus, die noch gar nicht realisiert sind. Das gehe nur mit sehr speziellen Rechtskonstrukten. “In Malta eine Bankenlizenz zu erwerben, erschien uns unseriös. Wir wollten eine Plattform schaffen, die nach deutschen Standards und unter deutschen regulatorischen Rahmbedingungen operiert.”
Finexity hat deshalb eine sogenannte “Permissioned Blockchain” im Einsatz. Diese erfülle die gesetzlichen Anforderungen am besten – auch in Bezug auf den Datenschutz. Die Blockchain “made in Germany” schaffe Vertrauen bei den Anlegern. “Wir haben die Blockchain als Basis-Technologie im Einsatz. Die Applikation entwickeln wir nach geltenden Standards. Wir haben also immer die Möglichkeit, auch eine Public Blockchain zu verwenden oder weitere Marktplätze anzubinden.” Bald sei das Ethereum 2.0 Protokoll verfügbar. “Dann werden wir weitere Einsatzmöglichkeiten prüfen.”
Wir wollten mit Finexity eine Plattform schaffen, die unter deutschen rechtlichen Rahmbedingungen operiert.
Tim Janssen, Finexity-Mitgründer und Head of Blockchain
Wie kommt ein Produkt auf den Marktplatz?
Ein Projekt durchläuft vier Phasen, bis Kunden auf der Finexity-Plattform in das tokenisierte Anlageobjekt investieren können:
1. Scanning: Je nach Assetklasse durchsuchen Finexity-Mitarbeiter oder externe Berater den Markt und identifizieren geeignete Investments.
2. Scoping: In der Scoping-Phase erfolgen alle Abklärungen, die nötig sind, um ein Produkt auf die Plattform zu bringen.
3. Advertisement: In einem Zeitraum von drei bis vier Tagen kündigt Finexity das Projekt zunächst im internen Kundenkreis an.
4. Vertrieb: Nach dem Pre-Sale geht das Projekt in den direkten Vertrieb über die Plattform. In dieser Fundingphase muss Finexity die angesetzte Finanzierungssumme von den Investoren einsammeln.
Die Projektselektion ist entscheidend
Bei der Tokenisierung von Immobilien erfolgt die Projektauswahl inhouse. Finexity-Mitarbeiter scannen den Markt nach geeigneten Objekten. Assetklassen wie Kunst, Tokens von Wein oder Diamanten erfordern grosses Fachwissen. Hier folgt die Plattform den Empfehlungen von externen Beratern. In der Scoping-Phase steckt Finexity alle Rahmenbedingungen für das Projekt ab. Bei Immobilien läuft dabei viel standardisiert über Software. Am Ende zählt immer das Gutachten: Das stellt fest, ob ein Investitionsobjekt dem angesetzten Kaufpreis entspricht – und den Finexity-Standards.
Tim Janssen erklärt: “Bei Immobilien gehen wir zum Beispiel nur in A-Lagen und in Wohnimmobilien. Für uns ist entscheidend, dass wir ein gesundes Rendite-Risiko-Verhältnis in unserem Portfolio haben.” Der Blockchain-Spezialist räumt aber auch ein, dass das nicht bei allen Assetklassen leicht ist. “Diamanten sind sehr speziell. Reinheit, Schliff, Farbe und Gewicht bestimmen die Klassifizierung. Kleinste Details machen den Unterschied. Hier müssen wir uns auf unsere Experten verlassen.”
Steckbrief – das ist die Finexity
Firmensitz | Holzdamm 28-32, D-20099 Hamburg |
Gründungsjahr / Ort | 2018, Hamburg |
Anzahl Mitarbeiter | 35 |
Angebotene Assetklassen | Immobilien, Kunst, Fine Wines, Diamanten |
Finanzierte Projekte | 8 |
Registrierte Kunden | 6000 |
Investitionsminimum | 500 Euro |
Kontrolliert durchs Haftungsdach
Weil die Finexity-Plattform Finanzdienstleistungen im Sinne des deutschen Kreditwesengesetzes (KWG) vermittelt, greift die deutsche Regulierung. Das Unternehmen operiert deshalb unter einem sogenannten “Haftungsdach“. Das kontrolliert alle Vertragsunterlagen. Erst danach geht das Produkt in den Vertrieb. Bevor ein Kunde investieren kann, muss er sich in einem sogenannten “KYC-Prozess” (Know Your Customer) legitimieren. Das Haftungsdach gibt das Investment frei. Erst dann fliesst digitales Geld in eine extra für das Projekt gegründete Zweckgesellschaft.
Verbraucherschutzforum warnt Anleger
Hat ein Projekt es ins Finexity-Portfolio geschafft, können registrierte Nutzer ab 500 Euro digital investieren. Ihre Investitionsentscheidung müssen sie auf Basis der Informationen treffen, die Finexity auf der jeweiligen Produktseite veröffentlicht. Anleger müssen sich darauf verlassen, dass Finexity das Investment korrekt bewertet und die Gewinnerwartungen realistisch sind. Tim Janssen sagt dazu: “Wir können keine Vorhersage machen. Aber wir können aus vergangenen Käufen oder Verkäufen ersehen, wie teuer ein Quadratmeter war und oder wie sich die Preise eines Künstlers entwickelt haben.”
Das Verbraucherschutzforum gibt zu bedenken, dass “allen verheissungsvollen Versprechen zum Trotz immer das Risiko des Totalverlustes besteht.” Daran würden auch die anvisierten Renditen nichts ändern. Zumal eine bereits nach einem Jahr Laufzeit in Aussicht gestellte Gesamtrendite etwa bei tokenisierten Immobilien von 10,54 Prozent laut Finanzexperten durchaus fragwürdig erscheint.
Investment mit fester Vertragslaufzeit
Jedes Investment hat eine vorab festgelegte Vertragslaufzeit. Bei Immobilien sind das in der Regel 15 Jahre. Die tokenisierten Weine hält Finexity zwischen sechs und zwölf Jahren. Kunst bleibt neun bis zehn Jahre im Besitz der jeweiligen Zweckgesellschaft. Die beiden tokenisierten Diamanten sollen nach sechs Jahren in den Verkauf gehen. Finexity behält sich dabei das Recht vor, Investitionsgegenstände vorzeitig zu verkaufen, wenn die aktuelle Marktlage das anbietet. Zum Vertragsende erhalten Investoren den Rückzahlungsbetrag und profitieren vom Anleger-Veräusserungsgewinn.
Finexity-Sekundärmarkt offiziell gestartet
Nach 8 Monaten intensiver Abstimmung und Implementierung hat Finexity gerade Europas ersten ausserbörslichen Marktplatz für tokenisierte Kapitalanlagen gelauncht. Anfang Juli ist der Finexity-Sekundärmarkt offiziell gestartet. Mit diesem Peer-to-Peer-Handel ist das Unternehmen einer der Vorreiter in der Branche. Kunden haben nun die Möglichkeit, sowohl Kauf- als auch Verkaufsangebote einzustellen. Damit können sie ihre tokenisierten Wertpapiere jederzeit gebührenfrei und in Form von Echtzeit-Transaktionen handeln.
Zum Angebot gehören Asset-Klassen wie zum Beispiel:
- Fahrzeuge: Autoliebhaber könne sich Anteile an einem tokenisierten Porsche sichern. An die Rennstrecke erinnert auch der Token von Ferrari.
- Kunst: Man kann bei Finexity in Gemälde bekannter Künstler investieren. Die Kunst-Tokens sind direkt über die Handelsplattform zu kaufen.
- Wein: Liebhaber edler Tropfen können in die Rendite von Wein-Tokens investieren.
In die Plattform integrierte E-Wallet
Die Erlöse aus dem Verkauf bekommen sie in ihr in die Plattform integriertes E-Wallet ausbezahlt. Dieses digitale Guthabenkonto übernimmt die Funktion einer virtuellen Geldbörse. Im Vergleich zu klassischen Sachwertanlagen bietet der Finexity Zweitmarkt Investoren Flexibilität und Liquidität. Zumindest theoretisch. Denn es ist nicht garantiert, dass sich auch ein Käufer für die Tokens-Wertpapiere findet.
Blockchain-Investments mit Risiko
Zudem müssen sich Anleger darauf verlassen, dass die Plattform ihre Produkte objektiv bewertet. Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg warnt in einem Capital-Artikel: “Anleger können die Risiken nicht selbst einschätzen und müssen sich auf die Bewertung von Finexity verlassen.” Die Projekte durchlaufen nach Angaben des Unternehmens einen strengen Selektionierungsprozess. Ausserdem hat Finexity naturgemäss selbst ein Interesse daran, dass die Anlageobjekte im Wert steigen. Schliesslich will es am späteren Verkaufserlös verdienen.
Doch der Markt für Sachwerte hat trotzdem seine eigenen Regeln. Das ändert sich nicht, wenn Wertgüter tokenisiert sind. Finexity-Gründer Tim Janssen ist aber überzeugt, dass in Zukunft jegliche Art von Sachwerten als Investment auf der Blockchain möglich sind. Insofern kann das Finexity-Geschäftsmodell für Anleger interessant sein – vorausgesetzt, sie sind technologiebegeistert und behalten das Risiko im Blick.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Auf der Finexity-Plattform können Sie als Anleger ab einem Betrag von 500 Euro in tokenisierte Immobilien, Kunstobjekte, Weine (Fine Wines) und Diamanten investieren. Ihre Anteile können Sie halten, um von der potentiellen prognostizierten Wertsteigerung zu profitieren. Sie können sie aber auch auf dem Sekundärmarkt wieder verkaufen – sofern sich ein Käufer findet.
Wie bei jedem Investment tragen Sie als Anleger selbst das Risiko. Es kann zum Beispiel sein, dass Finexity eine tokenisierte Anlage nicht korrekt bewertet hat. Oder die Rendite-Prognosen könnten unrealistisch sein. Fällt ein Projekt komplett aus, droht Ihnen gegebenenfalls ein Totalverlust Ihres Investments.
Nein. Finexity ist ein Finanzdienstleister und hat keine Vollbanklizenz. Eine KWG-Lizenz würde dem Unternehmen erlauben, Wertpapiergeschäfte zu tätigen. Diese zu bekommen, ist für ein Start-Up aber nicht einfach. Finexity operiert deshalb als “Gebundener Vermittler” unter einem Haftungsdach.