Der Kreditkartenriese Visa hat in den letzten zwei Jahren stark auf Kryptowährungen gesetzt und Beziehungen zu Blockchain-Unternehmen aufgebaut. Visa hat bereits mehrmals deutlich gemacht, dass sich das Unternehmen als Player in der Kryptowelt positionieren will. Visa-CEO Alfred Kelly äusserte sich deutlich zu den Krypto-Plänen des Kreditkartenanbieters. Im Februar 2021 brachte Visa in Österreich gemeinsam mit der Kryptobörse Bitpanda eine Debitkarte heraus. Zudem soll ein Pilotprojekt mit der Digitalplattform Crypto.com starten.
Abrechnung von Stablecoins über Visa
Jetzt weitet das Unternehmen seine Krypto-Ambitionen aus. Alfred Kelly sagte anlässlich einer Telefonkonferenz: “Unser Fokus liegt auf fünf verschiedenen Möglichkeiten, die wir in diesem Bereich sehen. Es ist ein Bereich, in den wir uns in sehr grossem Stil hineinlehnen und in dem wir sehr gut positioniert sind.” Kelly verkündete auch, kryptobezogene Schnittstellen für Finanzinstitutionen entwickeln zu wollen und die Infrastruktur aufzurüsten. Das Ziel: Über Visa sollen Abrechnungen mit Stablecoins möglich werden. Kelly bekräftige, dass er die Cyberdevisen in zwei verschiedene Kategorien einteilt:
- Investment Assets, die eher “digitales Gold” sind. Dazu zählen etwa Kryptos wie der Bitcoin.
- Digitalwährungen, die eher für den Zahlungsverkehr infrage kommen. Gemeint sind damit wohl vor allem Stablecoins und CBDCs.
Ziel ist ein universeller Zahlungskanal
Visa möchte einen universellen Knotenpunkt für den Austausch von Stablecoins und digitalen Währungen von Zentralbanken aufbauen. Das Projekt befindet sich noch in der Anfangsphase. Visa kündigte am 11. November 2021 die Pläne für einen “universellen Zahlungskanal” an. Dies soll Transaktionen zwischen verschiedenen Stablecoins und digitalen Zentralbankwährungen (CBDCs) erleichtern. Die Ankündigung von Visa kommt zur rechten Zeit. Aufsichtsbehörden auf der ganzen Welt schenken Stablecoins und CBDCs grosse Aufmerksamkeit. In den USA werden sowohl das Weisse Haus als auch die Federal Reserve in den kommenden Wochen Berichte über die Rolle von Stablecoins in der Wirtschaft veröffentlichen.
Visa will bestehende Finanznetzwerke nutzen
Die Idee von Visa ist es, ein digitales Währungsäquivalent zum bestehenden internationalen Zahlungssystem zu schaffen, wie Decrypt berichtet. Für Konsumenten soll es möglich sein, im Ausland mit einer Debit- oder Kreditkarte zu bezahlen, indem Geld von einem Konto im Heimatland bezogen wird. Dieses Verfahren stützt sich auf bestehende Netzwerke, die von Banken und Kreditkarten betrieben werden. Es basiert auf nationalen Währungen, nicht auf Blockchains. Mit der Einführung seines “universellen” Zahlungsverkehrskanals versucht Visa, dieses System für die Blockchain-Ära zu replizieren. Dahinter steht die Überzeugung, dass sich Stablecoins wie zum Beispiel USDC (ein digitaler Token, der 1:1 an den US-Dollar gebunden ist) durchsetzen werden.
Das Visa-Projekt ist interessant. Es wird theoretisch möglich sein, alle Arten von Tokens miteinander zu verrechnen.
Prof. Dr. Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Centers (FSBC)
Interaktion mit digitalen Geldbörsen
Der neue Visa-Kanal fungiert als eine Drehscheibe, die mit vertrauenswürdigen digitalen Geldbörsen interagieren wird. Vergleichbar ist das mit “Layer 2”-Lösungen, die bei Bitcoin und Ethereum entwickelt werden. Dies bedeutet, dass die ersten Transaktionen auf einer von der Blockchain getrennten Ebene durchlaufen – und sich dann über die Blockchain abwickeln lassen. “Layer-2”-Prozesse zielen darauf ab, den Nutzern die Transaktionsgeschwindigkeit eines traditionellen Netzwerks zu ermöglichen (Blockchains sind vergleichsweise langsam). Der Vorteil: Sie profitieren gleichzeitig von den unveränderlichen, fälschungssicheren Aufzeichnungen einer Blockchain.
Was sind die Vorteile für Konsumenten?
Was bedeutet dies für Konsumenten, welche die Visa-Karte im Alltag gebrauchen? Unter anderem soll der Kauf und das Ausgeben von Kryptowährungen mit der Visa-Karte möglich sein. Dafür arbeite man sowohl mit Kryptobörsen als auch mit Wallets und Zahlungs-Gateways zusammen. Angesprochen auf die Visa-Pläne sagt Prof. Dr. Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Centers (FSBC): “Es ist faszinierend, wie weltweite Payment-Infrastrukturen auf Basis von Ethereum entstehen.” So sei es theoretisch möglich, alle Arten von Tokens miteinander zu verrechnen. „Damit wird es dann auch möglich, zum Beispiel mit digitalem Euro zu bezahlen und in US-Dollar abzubuchen.
Bedürfnisse der Konsumenten abklären
Ein wichtiger erster Schritt für Visa ist es, die Bedürfnisse der Kunden zu erkennen. Welche digitalen Assets will man den Kunden als Alternative zur traditionellen Währungen anbieten? Dazu nahm das Unternehmen in folgenden Bereichen Due-Diligence-Prüfungen vor:
- Nachfrage: An welchen Währungen sind Kunden interessiert, um mit ihnen bezahlen und sie erhalten zu können? Gibt es ein dynamisches Umfeld und eine Entwicklergemeinschaft, die diese Assets unterstützen?
- Stabilität: Wie steht es um die Volatilität? Schwankt der Preis? Gibt es ausreichend Liquidität, um in und aus dem digitalen Vermögenswert zu konvertieren?
- Transfers: Wie lange würden Transfers in und aus der digitalen Währung dauern. Und: Wie wirkt sich die Transaktionsdauer auf den Prozess aus? Abzuklären gilt es auch, wo Konsumenten mit den Kryptos bezahlen wollen.
- Sicherheit: Verfügt die von den Kunden gewünschte Währung über ein klares Set von Compliance- und Regulierungsprotokollen, die ihn unterstützen? Welche Infrastrukturanbieter sind vorhanden, und wie vertrauenswürdig sind diese? Wo liegen grössere Schwachstellen oder Risiken? Es gilt, Geldwäsche und Erpressung vorzubeugen.
Gesichert durch Blockchain und Smart Contracts
Im Gegensatz zu “Layer-2”-Lösungen wie dem Lightning Network liegt bei Visa der Schwerpunkt des universellen Zahlungsverkehrskanals auf Interoperabilität. Dies unterstützt die Skalierung von Bitcoin und den einfachen Umtausch einer Währung in eine andere. Um dies zu ermöglichen, plant Visa, sich auf Smart Contracts zu stützen. Dabei handelt es sich um “Hash-Timelock-Verträge”. Diese sind in der Kryptowelt bereits weit verbreitet. Sie stellen sicher, dass beide Parteien einer Transaktion das tun, was sie versprechen.
Es braucht in Zukunft noch viel Entwicklungsarbeit
Damit dies funktioniert, steht aber noch viel Arbeit an. Visa muss Unternehmen und nationale Regierungen davon überzeugen, Entwicklerressourcen bereitzustellen. Denn es gilt, digitale Geldbörsen zu entwickeln, die mit dem vorgeschlagenen universellen Kanal kompatibel sind. In der Schweiz ist mit dem DLT-Gesetz die juristische Grundlage geschaffen. Wer sich nicht beteiligt, könnte Nachteile erfahren. Ein Token dürfte an Einfluss verliert, wenn er nicht Teil eines breiteren Netzwerks ist. Visa’s neuer Zahlungskanal ging aus einem akademischen Forschungslabor im Silicon Valley hervor. Das Projekt befindet sich noch in einem frühen Stadium.
Akzeptieren Regierungen digitale Währungen?
Catherine Gu, Produktverantwortliche für CBDCs bei Visa schrieb in einem Blog-Beitrag: “Während wir unsere angewandte Forschung fortsetzen, arbeiten wir daran, unsere Ideen in tatsächliche Codezeilen zu übersetzen.” Ein Konsens könnte darin bestehen, dass die Regierungen digitale Währungen akzeptieren. Unklar ist jedoch, ob dies auch privat geschaffene Stablecoins wie USDC und Tether einschliessen wird. Möglich ist auch, dass einige Länder dem Beispiel Chinas folgen und nur vom Staat betriebene digitale Währungen zulassen. Dezentrale Währungen wie Bitcoin passen nicht in das politische Kalkül aller Regierungen.
Visa ist ehrgeizig – und kauft CryptoPunk-NFT
Visa möchte es genau wissen. Und testet direkt an der Front, wie man NFTs kauft. Das Kreditkartenunternehmen kaufte kurzerhand das NFT eines CryptoPunks. Bei diesen Kunst-NFTs handelt es sich um Pixelbildchen von – wie der Name sagt – Punks. Man will offenbar aus erster Hand wissen, welche Anforderungen sich Visa stellen. Etwa dann, wenn es um die Abwicklung eines NFT-Kaufs geht, ein NFT zu speichern und zu nutzen. "Wir glauben, dass NFTs eine wichtige Rolle in der Zukunft des Einzelhandels, der sozialen Medien, der Unterhaltung und des Handels spielen", sagte dazu Cuy Sheffield, Leiter der Kryptoabteilung bei Visa. Mehr zu Kunst-NFTs