Digitale Zahlungsmittel wie zum Beispiel private Stablecoins bieten Konsumenten einen zusätzlichen Nutzen. Sie stehen jedoch in einer unmittelbaren Wechselwirkung mit dem Zahlungsverkehr. Für Verbraucher, Banken und die Behörden stellen sich wichtige Fragen. Fest steht: Die digitale Transformation wird auch die staatlichen Währungen erfassen.
Digitale Währungen in Europa und China
Europa und China machen es derzeit vor. Die Schweizerische Nationalbank untersucht bereits die Möglichkeiten einer digitalen Zentralbankwährung (Central Bank issued Digital Currency, kurz: CBDC). Bezahlen kann man mit dem digitalen Schweizer Franken jedoch noch länger nicht. Die Europäische Zentralbank (EZB) plant die Einführung eines rein digitalen Euros. Währenddessen laufen in China die ersten Tests mit dem digitalen Yuan. Sie sind nicht die einzigen. Laut dem Think-Tank Atlantic Council sind es aktuell 87 Staaten auf der gesamten Welt, die die Einführung digitaler Währungen planen. Diese machen insgesamt 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts aus. Sieben Staaten haben bereits digitale Währungen eingeführt, in erster Linie karibische Inselstaaten und Nigeria.
Zentralbanken sind wenig begeistert
Eines ist klar: Begeistert sind die Zentralbanken nicht von den Kryptowährungen. Das hat unter anderem folgende Gründe:
- Bitcoin und andere Kryptos ermöglichen den Zahlungsverkehr an den Banken vorbei.
- Mithilfe von Privacy Coins oder besonderen Anonymisierungsverfahren lässt sich der Geldtransfer verschleiern.
- Es drohen Geldwäsche und andere Risiken.
- Jede Kryptowährung hat ihre eigene Geldpolitik, die transparent im Code aufgezeichnet ist. Es bildet sich ein Parallel-Markt, und diesen können Monopolisten wie Zentralbanken nicht ausstehen.
Digitale Währungen verfügen jedoch über Vorteile, die auch für Staaten und Banken von Nutzen wären. Grössere Staaten wie die USA entdecken die Digitalen Staats-Coins auch, sie sind jedoch langsamer bei der Einführung.
USA: Wie steht es um den digitalen Dollar?
Nicht nur das: Die USA steht auch im Zugzwang. Der digitale Yuan der chinesischen Regierung hat das Potential, den US-Dollar als Weltwährung zu ersetzen. Bereits im Juli 2020 fand daher im US-Senat eine Anhörung statt, bei der die Politiker die Möglichkeiten der digitalen Währungen diskutierten. Anstelle von Bitcoin und Co. ging es um einen möglichen “Digital Dollar”, ausgegeben von der Federal Reserve, der Zentralbank der USA. Die Senatoren äusserten sich skeptisch gegenüber der Idee, dass private Tech-Unternehmen in Zukunft den Zahlungsverkehr bestimmen könnten. Gleichzeitig sahen sie das Potential digitaler Währungen hinsichtlich der Privatsphäre, Inklusion und Resilienz.
Laut Chris Giancarlo, dem Chef des Digital Dollar Projects, untersuchte die Federal Reserve bereits mögliche Anwendungen für CBDC’s. In Zusammenarbeit mit dem U.S. Treasury entstanden dabei lokale und nationale Pilotprojekte im privaten Sektor.
Die Arbeit des Digital Dollar Projects (DDP)
Seitdem blieb das Projekt nicht untätig. Im Mai 2021 gab man bekannt, fünf Pilotprogramme durchzuführen, um eine Einführung einer CBDC zu testen. Die Ergebnisse sollen die Datenbasis liefern, auf deren Grundlage man einen digitalen US-Dollar einführen könnte. Chris Giancarlo betonte in einem Interview mit Al Djazeera, dass es bislang an verlässlichen Daten mangelt.
“Es gibt eine Menge Gründe, warum Zentralbanken überall auf der Welt sich ernsthaft mit CBDC’s beschäftigen”, sagte er Al Djazeera. “Dazu gehören Datenerfassung, wirtschaftliche Privatsphäre, die Modernisierung der Finanzsysteme, finanzielle Inklusion, präzisere Ausführung von staatlichen Leistungen und Geldpolitik.” Und weiter: “Der private Sektor erforscht bereits die Möglichkeiten von digitalen Assets wie Bitcoin für mehr als zehn Jahre. Nun versucht der öffentliche Sektor aufzuschliessen.”
Accenture soll Schub geben
Damit ist klar, dass die USA mit anderen Nationen und vor allem China aufholen wollen. Zwar erforscht das Projekt den Einsatz von CBDC’s schon etwas länger, konkrete Pläne haben sich jedoch noch nicht herauskristallisiert. Unterstützung erfährt das Projekt durch Accenture. Dabei handelt es sich um ein Technologie-Beratungsunternehmen. Accenture ist ein Partner des Pilotprojekts und finanziert den öffentlichen Sektor. Das Unternehmen hatte bereits mit Schweden, Kanada, Singapur und Frankreich hinsichtlich der Einführung digitaler Währungen zusammengearbeitet.
Das Zwei-Stufen-System des DDP
In seinem White Paper hat das Digital Dollar Project dargelegt, wie es sich die Zukunft des digitalen Dollars vorstellt. Das Ziel dabei ist es, den US-Dollar als oberste Weltleitwährung zu erhalten. Weiterhin schlägt das DDP eine Zusammenarbeit der öffentlichen und privaten Sektoren vor. Das Ergebnis wäre ein zwei-stufiges System, welches dem bestehenden Modell ähnelt: An der Spitze steht die Federal Reserve. Diese hat die Aufgabe, das Geld an private Banken zu verleihen. Diese wiederum führen es zum Beispiel über Kredite in den Wirtschaftskreislauf. Im Grunde alles so, wie gewohnt.
Dabei will die US-Regierung die Entwicklung der CBDC in der Hand behalten. Während der Anhörung im Mai 2020 kam auch das Thema auf, die digitale Währung in Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen zu entwickeln. Dieser Vorschlag erntete keinen Beifall. Der Staat behält die Monopolstellung bei der Geldausschüttung, so die Begründung. Privaten Mitarbeitern könne man keinen verantwortungsvollen Umgang mit der Landeswährung zutrauen.
Digitaler Dollar ja, Blockchain nein?
Mittlerweile durfte der ehemalige Präsident der Federal Reserve Bank of Boston, Eric Rosengren, einen Blick in den Entwicklungsstand werfen. Konkret geht es dabei um ein Forschungspapier der Federal Reserve Bank of Boston und dem MIT. Laut ihm entspreche die Digitalwährung den Anforderungen in Sachen Verarbeitungsmenge und Geschwindigkeit, berichtet Forbes. Die Entwicklung dürfte aufgrund von regulatorischen und bürokratischen Hürden jedoch noch eine Weile dauern. Dabei geht es vor allem um die Privatsphäre und Sicherheit. Was bei der ganzen Diskussion um den digitalen US-Dollar bislang fehlte, machte sich auch bei diesem Forschungspapier rar: Blockchain-Technologie.
Eine Blockchain oder eine andere Form von Distributed Ledger werde bei dem digitalen Dollar sehr wahrscheinlich keine Rolle spielen. Das Projekt baut auf keiner Blockchain auf. Folgende Punkte geben der Federal Reserve zu denken:
- Mangelnde Geschwindigkeit
- Fragwürdige Skalierbarkeit
- Geringe Menge an Transaktionen, die gleichzeitig verarbeitet werde können
- Dezentralität ist nicht erwünscht
Weiterhin müsste sich nicht nur die FED, sondern auch der Kongress und das Weisse Haus auf einen CBDC einigen. All diese Institutionen müssen ihre Zustimmung geben. Bis das geschafft ist, dürfte noch eine Weile vergehen.
Welches ist die Funktion des Digital Dollars?
Noch ist unklar, was genau der digitale US-Dollar sein soll. Bei den Anhörungen im Jahr 2020 ging es auch vermehrt um Stable Coins. Somit ist es möglich, dass der CBDC der US-Regierung im Grunde ein Dollar-gedeckter Stable Coin (ohne Blockchain) sein könnte. Das ist allerdings recht unwahrscheinlich. Stattdessen könnte das Endresultat ein Zahlungsmittel für das Internet sein. Oder es wird ein Ersatz für den echten US-Dollar. Dieser voraussichtliche CBDC wäre unter der vollen Kontrolle der FED. Die Federal Reserve würde über die Ausschüttung und die Geldmenge entscheiden. Wie beim regulären US-Dollar auch würde es sich theoretisch um eine Verbindlichkeit handeln. Die FED muss in der Lage sein, das Geld zurückzuzahlen. Jedoch wäre es, wie jedes andere Fiatgeld auch, mit nichts hinterlegt. Allein das Vertrauen in die FED entscheidet über den Wert des CBDCs.
Was haben Konsumenten vom Digital Dollar?
Ein digitaler US-Dollar würde genau richtig in Zeiten finanzieller Notlagen kommen. Er liesse sich einfach und direkt an US-Bürger mit der passenden App oder Wallet senden. Somit könnte er auch jene Konsumenten erreichen, die über kein Bankkonto verfügen oder keine physische Postadresse besitzen. Für alle anderen bedeutet es schlicht: no cash, digital only. Wie effektiv und verlässlich das Zahlungsnetzwerk tatsächlich sein wird, muss sich erst noch zeigen. Fest steht: Kriminelle müssen sich nach anderen Möglichkeiten umsehen oder nach technischen Mitteln suchen, ihre Zahlungsvorgänge zu verschleiern. Anonyme Kryptowährungen wie Monero (XMR) könnten ihnen hier helfen.
Und Bürger ausserhalb der USA?
Für Bürger ausserhalb der USA dürfte sich indessen kaum etwas ändern. Wenige in Europa besitzen physische US-Dollar, zumeist handelt es sich um Geld auf dem Konto. Ein Segen könnte der CBDC für Gastarbeiter und Migranten sein. Wie Kryptowährungen könnte sich das digitale Zentralbankgeld leichter und unbürokratischer versenden lassen. Zum Beispiel an die Familien in der Heimat. Allerdings ist das noch reine Spekulation. Die FED könnte solche Transfers auch schlicht unterbinden, indem sie nur Adressen innerhalb der USA erlaubt. Technisch möglich wäre es.
Was ist das Federal Reserve System?
Die Federal Reserve ist die Zentralbank der Vereinigten Staaten. Ihr allein obliegt das Privileg, Geld zu drucken und in Umlauf zu bringen. Präsident Woodrow Wilson stand ihr dieses Recht zu, als er am 23. Dezember 1913 den Federal Reserve Act unterzeichnete. Sie entscheidet weiterhin über die Höhe der Kredite und bietet eine Reihe Finanzdienstleistungen auf nationaler und internationaler Ebene an.
Weiterführende Links
- Digitaler Schweizer Franken: Die Schweiz leistet Pionierarbeit
- Digitaler Euro: Die EU hinkt dem Digitalgeld hinterher
- GNU Taler: Digitales Bargeld ohne Blockchain
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Sehr wahrscheinlich kommt dabei eine Smartphone-App zum Einsatz. QR-Codes lassen sich über Smartphone einscannen, dann bestätigt der Käufer den Bezahlvorgang und die Überweisung ist getätigt. Diese App ist mit dem Bankkonto verbunden. Ohne Smartphone läuft allerdings nichts.
Das ist bislang nicht klar. Denkbar wäre es, dass beide Geldsysteme für eine Weile koexistieren. Auf lange Sicht hin zeigt sich allerdings ein Trend zum rein digitalen Geld. Die Staaten versprechen sich damit mehr Kontrolle und ein effizienteres Geldsystem.
Ein CBDC wird genau so viel wert sein, wie die Zentralbank bestimmt. Darin unterscheidet sich das digitale Zentralbankgeld nicht vom Fiatgeld. Die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft, der internationale Handel und die Währungspolitik spielen ebenfalls eine Rolle. Entscheidend wird sein, ob sich der digitale Dollar auch als weltweite Leitwährung halten werden kann.