Traditionell gehört die Schweiz zu den weltweit führenden Finanzplätzen. Nicht zuletzt wegen ihrer strengen Datenschutzgesetze, eines effizienten Regulierungsansatzes und einer geschäftsfreundlichen Haltung. Seit 2013 entwickelt sich die Eidgenossenschaft mit immer mehr Unternehmenszentralen und einem innovativen, Blockchain-fähigen Ökosystem zum internationalen Hotspot für die Entwicklung von Distributed-Ledger-Technologien.
Krypto Valley – neue Blockchain-Hubs in der Schweiz
Dank bestehender Regulation und Aufsicht durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) vergaben die Behörden bereits ab 2015 erste Banklizenzen. Dies ermöglichte die weitere Ansiedlung von Startups der boomenden Blockchain- und Fintech-Branche – es war die Geburtsstunde des Schweizer “Crypto Valley”. Als Pionier der Blockchain- und Cryptoszene hat sich die Stadt Zug als erste im Crypto Valley einen Namen gemacht. Die Stadt zieht neue Unternehmungen im Bereich Blockchain an.
Steuerrechnung mit Bitcoins bezahlen
So hat der Zuger Stadtrat bereits 2016 beschlossen, Bitcoins für Leistungen bis 200 Franken als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Seit Beginn dieses Jahres erlaubt auch die kantonale Steuerbehörde der Bevölkerung, die Steuerrechnung bis zum Höchstbetrag von 100.000 Franken in den Kryptowährungen Bitcoin und Ethereum zu bezahlen. Unterstützt wird die Stadt bei diesen Projekten durch Unternehmen wie Bitcoin Swiss oder Etherum, die sich als erste hier niederliessen.
Tokenisierung – dank Schweizer Rechtssprechung
Dieser Boom ist vor allem der Schweizer Politik und Rechtsprechung zu verdanken. Sie hat für die aufkeimenden Ökosysteme die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Es galt, die zahlreichen weiteren Anwendungsfelder der DLT-Technologie weiter zu fördern. Beispiel: die Tokenisierung von Vermögensgütern, welche den Finanzmarkt belebt.
Schweiz sicherte die Tokenisierung im Gesetz ab
Die Tokenisierung von Vermögenswerten zählte am Schweizer Finanzmarkt bereits seit Einführung der Blockchain zur geübten Praxis. Rechtlich gesichert durch bestehende Rechtsvorschriften über das Schweizer Gesetz zur Finanzmarktinfrastruktur (FinfraG). Man verknüpfte Effekten (Anleihen oder Aktien) per Vertrag mit einem Token, so dass sich die Effekten und der Token nicht unabhängig voneinander übertragen liessen.
Vorschriften zum Handel fehlten
Ein erster, wenn auch nicht vollends rechtlich abgesicherter Schritt. Denn Bestimmungen zum Handel fehlten. Die DLT-Technologie bietet für die Tokenisierung beispielsweise von digitalen Aktien weit mehr Anwendungsmöglichkeiten als die reine digitale Verbriefung von Vermögenswerten. Um das volle Potenzial der neuen Technologie im Finanzbereich zu ermöglichen, hat die Schweiz jetzt einen weltweit einzigartigen Rechtsrahmen geschaffen.
Lex DLT – Chancen für den Schweizer Kapitalmarkt
Bereits im September 2020 hatte das Schweizer Parlament das Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register (DLT-Vorlage) verabschiedet. Mit diesem Gesetz schaffte die Schweiz eine stabile gesetzliche Grundlage: Ab da war es möglich, das Potenzial der Asset-Tokenisierung und der Tokenisierung von Effekten in Bezug auf Aufbewahrung, Übertragung und Handel zukünftig zu nutzen.
Blockchain-Gesetzt in Kraft gesetzt
Per 1. Februar 2021 setzte die Schweiz mit dem “Blockchain-Gesetz” zunächst diejenigen Elemente der DLT-Vorlage in Kraft, welche die Einführung einer neuen Kategorie, der sogenannten Registerwertrechte, ermöglichten. Das Registerwertrecht als neue Wertpapierform fand Eingang ins Schweizer Obligationenrecht.
Eine erste Anwendung folgte sofort: So erstellten die Schweizer Anwaltskanzlei MME und die Schweizer digitale Aktienplattform daura am 1. Februar 2021 die ersten Schweizer Registerwertrechte. Aktien der MME Compliance AG sind nun als solche auf der daura-Infrastruktur als digitale Aktienplattform erfasst.
August 2021: Bundesrat setzt Lex DLT in Kraft
Im Juni 2021 setzte der Schweizer Bundesrat dann den zweiten Teil der “Lex DLT” zum 1. August 2021 vollständig in Kraft. Sowohl Wertpapierrecht wie auch das Finanzmarktinfrastrukturgesetz und das Schuldbetreibungs- und Konkursrecht wurden angepasst. Das verschaffte dem Handel von Rechten über elektronische Register eine sichere rechtliche Grundlage. Darüber hinaus fügte man eine neue Bewilligungskategorie für DLT-Handelssysteme hinzu. Dies ergibt einen flexiblen Rechtsrahmen für neue Formen von Finanzmarktinfrastrukturen.
Man hat im Schweizer Gesetzt eine robuste Rechtsgrundlage geschaffen für die Digitalisierung oder Tokenisierung von Vermögenswerten.
Lea Hungerbühler, Rechtsanwältin bei leximpact, Expertin für Finanzmarktrecht. Bildnachweis: leximpact.ch
Gesetz in Rechtsrahmen integriert
Die Schweiz schrieb keine neuen Gesetze. Vielmehr passte sie zahlreiche bereits bestehende Gesetze so an, dass im Resultat für alle Anwender ein handhabbarer Rechtsrahmen entstanden ist. Dieser pragmatische Ansatz garantiert zum einen, dass sich Innovationen in der DLT-Technologie flexibel in den jetzt gesetzten Rechtsrahmen integrieren lassen. Zum anderen wird so die Integrität sowie die gute Reputation des Finanz- und Wirtschaftsplatzes Schweiz gesichert.
Gesetztesanpassungen positiv beurteilt
Das Mantelgesetz enthält Gesetzesänderungen im Obligationenrecht (OR), im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (SchKG) und weiteren Finanzmarktgesetzen. Die Gesetzesanpassungen erfüllen die Ansprüche, bestätigt die Rechtsanwältin und Expertin für Finanzmarktrecht Lea Hungerbühler in einem Beitrag von Fokus. Es seien zwei Hauptbereiche erwähnenswert.
- Rechtliche Abbildung der Blockchain: “Mit dem DLT-Gesetz hat man gesamthaft zehn Bundesgesetze punktuell angepasst. Insbesondere wird im Obligationenrecht die Rechtsfigur eines Registerwertrechts eingeführt”, sagt Hungerbühler. Damit schaffe man eine robuste Rechtsgrundlage für die Digitalisierung oder Tokenisierung von Vermögenswerten (Rechten) wie Aktien, Schuldverschreibungen und anderen Finanzaktiven. “Im OR und dem Bucheffektengesetz besteht damit eine Rechtsgrundlage, um insbesondere Aktien auf der Blockchain herauszugeben und zu übertragen.”
- Bewilligungskategorie für Krypto-Börsen: Zudem habe man für Krypto-Börsen eine neue Bewilligungskategorie geschaffen. Die Entwicklung in der Tokenökonomie laufe weiter. «Deshalb enthält das Gesetz auch Anpassungen beispielsweise im Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG), dem Geldwäschereigesetz (GwG) und im Bankengesetz (BankG)», sagt Lea Hungerbühler.
Die Krypto-Nation Schweiz
Die Schweiz ist neben Liechtenstein eines der wenigen Länder, die eine umfassende Krypto- und Blockchain-Regulierung verabschiedet haben. Die Gesetzgebung berücksichtigt alle wichtigen Facetten der Branche. Besonders wichtig: Sie gewährt allen Marktteilnehmern Rechtssicherheit. Mit der “Lex DLT” sichert sich die Schweiz einmal mehr die Position als eine der führenden Crypto-Nationen der Welt. Behörden und Politik beschlossen in grossem Tempo ein innovatives und mutiges Regelwerk, das für das bereits starke Schweizer Blockchain-Ökosystem ideale Rahmenbedingungen für schnelles Wachstum schafft. Im Markt sind bereits zahlreiche Akteure unterwegs: Startups, Hochschulen, innovative Unternehmen, starke Technologie-, Finanz-, Pharma- und Industriecluster.
Rechtliche Sicherheit für Firmen
Die rechtliche Situation verschafft den Firmen Sicherheit. Weitere innovative Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen im Bereich DLT und Blockchain werden entstehen und den Wirtschafts- und Innovationsstandort Schweiz weiter stärken. Vor allem die Finanzindustrie kann sich ihre Führungsposition mit der Etablierung neuer Handelsplattformen sichern. Die Krypto-Nation Schweiz kann gut gerüstet in die digitale Zukunft blicken.
Was sind Registerwertrechte?
Ein Registerwertrecht ist ein Recht, das gemäss einer Vereinbarung der Parteien (der sogenannten Registrierungsvereinbarung) in einem Wertrechteregister eingetragen ist. Es lässt sich nur über dieses Wertrechteregister geltend machen und auf andere übertragen. Dementsprechend ist die Übertragung von Registerwertrechten ohne Schriftformerfordernis möglich (Art. 973d Abs. 1 Obligationenrecht, OR). Registerwertrechte sind also eine neue elektronische Form eines Wertpapiers. Sie lassen sich mittels Blockchain-Technologie digital übertragen und handeln. Die Blockchain garantiert, dass sich sämtliche Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte rein digital ausgeben lassen. Alle jene nämlich, die auch als klassische Wertpapiere oder einfache Wertrechte ausgegeben werden könnten. Ein klassisches Beispiel hierfür ist der Aktien-Token. Die Eintragung ins Wertrechteregister ist das digitale Äquivalent zur Verbriefung eines Rechts als physische Urkunde. Als elektronisches Register ermöglicht es die Eintragung von Rechten, die dadurch zu Registerwertrechten werden.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Der Gläubiger, nicht der Schuldner, hat mittels technischer Verfahren die faktische Verfügungsmacht über seine Rechte. Gläubiger können die sie betreffenden Informationen und Registereinträge jederzeit einsehen und die Integrität des sie betreffenden Registerinhalts überprüfen.
Die Integrität des Wertrechteregisters ist geschützt durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen. Zum Beispiel durch die gemeinsame Verwaltung durch mehrere voneinander unabhängige Beteiligte. Die Blockchain erfüllt diese Anforderungen.
Der Inhalt der Rechte, die Funktionsweise des Registers und die Registrierungsvereinbarung sind im Register festgelegt. Hierbei muss der genaue Inhalt des verbrieften Rechts (Höhe der Beteiligung, Höhe der der Forderung, Fälligkeitszeitpunkt) vermerkt sein.
Ein Wertrechteregister muss sicherstellen, dass der Gläubiger die ihn betreffenden Informationen und Registereinträge ohne Zutun Dritter einsehen kann. Dazu gehört auch die Integrität der ihn betreffenden Registerinhalte.