Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser – so lautet die Devise auf dem Gebrauchtwagenmarkt häufig. Und zwar für potenzielle Fahrzeugkäufer und Verkäufer gleichermassen. Und so soll künftig auch das Auto von der Blockchain-Technologie profitieren. In der Schweiz sind rund 4,5 Millionen Personenwagen zugelassen. Jährlich verkaufen Private und Firmen etwa 800 000 Fahrzeuge als Gebrauchtwagen.
Vom Neuwagen bis zum Schrottplatz
Der Schweizer Verein Cardossier hat ein interessantes Projekt entwickelt, um den Lebenszyklus von Autos abzubilden – und zwar über die Blockchain. Das würde eine fälschungssichere Archivierung der Daten eines Fahrzeugs ermöglichen. Und zwar vom Neuwagenverkauf bis zur Verschrottung. Initiator von Cardossier ist das Schweizer Softwareunternehmen AdNovum. Es hat die Plattform auf Basis der Lösung “Secure Blockchain for Business” aufgebaut. Ursprünglich am Projekt beteiligt waren auch die Hochschule Luzern und die Universität Zürich.
Ziel von Cardossier: das digitale Auto-Dossier
Nicht die Tokenisierung oder Auto-Tokens stehen im Zentrum. Die Idee des Projekts ist es, alle relevanten Daten während des Lebenszyklus eines Fahrzeugs in der Blockchain zu sammeln. Alle beteiligten Parteien haben Zugriff auf diejenigen Daten, an denen sie über die Transaktionen beteiligt sind: Importeure, Garagen, Versicherungen, Leasinggesellschaften und Strassenverkehrsämter. Ziel der Cardossier-Plattform ist es, das automobile Ökosystem zu digitalisieren und automatisieren. Durch die Einträge entsteht nach und nach das digitale Dossier. Und der Autohalter erhält Zugang zum gesamten Auto-Dossier. “Transparenz ist wichtig. Wir möchten künftig für alle Handelspartner ein neues Vertrauen etablieren”, sagt Cardossier-CEO Franziska Füglistaler. Die Daten eines Fahrzeugs sind künftig vernetzt und per Blockchain an unterschiedlichen Orten gespeichert – in der gleichen Qualität. “So ist es nicht mehr möglich, einen Datensatz ohne Autorisierung zu verändern.”
Auch die Behörden profitieren
Es sind vor allem Daten, die den aktuellen Zustand eines Autos widerspiegeln. Und zwar seit Inverkehrsetzen des Wagens. “Die Auto-Blockchain soll den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs abbilden – lückenlos.” Laut Füglistaler ist das nicht nur für professionelle und private Autohändler ein Vorteil. “Auch Behörden wie die Strassenverkehrsämter und das Bundesamt für Strassen (ASTRA) profitieren davon.”
Fahrzeugdaten sichern über die Blockchain
Mittels Smart Contracts bietet die Blockchain ganz neue Möglichkeiten, effizient Geschäftsprozesse zu automatisieren. Dank Blockchain lassen sich folgende Daten zum Zustand eines Fahrzeugs fälschungs- und änderungssicherer aufzeichnen:
- Abbildung einer transparenten und nachvollziehbaren Fahrzeughistorie.
- Offenlegung von vergangenen Unfällen und Schäden an Karosserie oder Motor.
- Aufzeichnung zwischenzeitlicher Verkäufe an andere Fahrzeugnutzer.
- Darlegung von Prüfberichten öffentlicher Behörden.
Die Auto-Blockchain soll den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs abbilden – lückenlos.
Cardossier-CEO Franziska Füglistaler
Vorteile von Cardossier – Autokäufer profitieren
Die Vorteile der Auto-Blockchain von Cardossier für Konsumenten und Händler liegen auf der Hand:
- Vermeidung potenzieller Reputationsverluste von Händlern.
- Umfassenderer Verbraucherschutz durch nachvollziehbare Daten.
- Erfassung von Daten etwa zu Unfällen oder Parkschäden.
- Private Autokäufer können sicherer ein Auto kaufen. Sie wissen über den wahren Zustand eines Gebrauchtwagens besser Bescheid.
Aus Konsumentensicht profitieren vor allem Käufer von Occasionen von einer umfassenden Auto-Blockchain. Als Laie tut man sich schwer damit, den Gesundheitszustand eines Gebrauchtwagens zu beurteilen. Viele Käufer, vor allem Laien ohne Auto-Kenntnisse, kennen das ungute Gefühl beim Kauf eines Gebrauchtwagens. Stimmt der Kilometerstand? Käufer sind den teils windigen Autoverkäufern ausgeliefert, die den wahren Zustand eines Autos auch einmal verschweigen. So kommt es auch vor, dass Autohändler arglosen Käufern einen Unfallwagen verkaufen.
Auto-Neuzulassungen
Statistik zur Anzahl der Neuzulassung von Personenkraftwagen (PKW) Januar – September 2021.
Land | Anzahl Zulassungen |
Deutschland | 2.017.561 |
Schweiz | 180.073 |
Österreich | 189.881 |
England | 1.316.614 |
Fahrzeugkauf sicherer machen
Die Auto-Blockchain verhindert weitgehend, dass gewisse Autohändler unwahre Angaben zu Occasionen machen. Sie gewährleistet, dass ein Auto-Dossier vollständig ist. Im Fahrzeughandel ist die Sicherheit besonders wichtig. Cardossier-CEO Füglistaler: “Der Kauf eines Fahrzeugs ist oft eine erhebliche Investition. Die tatsächliche Geschichte des jeweiligen Fahrzeugs jedoch ist selten lückenlos dargestellt und transparent nachvollziehbar.” Gerade versteckte Schäden könnten später zu finanziellen Verlusten und viel Ärger führen. Alle am Autohandel beteiligten Personen und Institutionen erhalten dank Auto-Blockchain mehr Sicherheit. Denn bei der Blockchain handelt es sich um eine dezentrale Datenbank. Diese speichert die eingepflegten Daten auf mehreren Servern. Gleichzeitig lassen sich die Daten aber von vielen Nutzern simultan abrufen. Bereits eingepflegte Daten lassen sich nicht wieder herauslöschen.
Die Forschungspartner von Cardossier
Initiale Forschungspartner von Cardossier sind grosse Schweizer Player im Fahrzeugmarkt wie die amag oder mobility. Aber auch Versicherungen wie die AXA oder der Schweizer Kanton Aargau sind mit dabei. Die Unternehmen Auto-i-dat AG und AdNovum haben bereits über 10 Millionen Datensätze in die Plattform eingepflegt. “Wir sind durchaus stolz, auch weiterhin qualitativ hochwertige Fahrzeugdaten in dieses vielversprechende Projekt einbringen zu können”, sagt Wolfgang Schinagl, CEO von Auto-i-Dat AG gegenüber den Medien.
Governance mit förderalistischem System
Themen wie “Vertrauen”, “Datengetriebene Geschäftsmodelle” und “Identitätsmanagement” sind wichtig. Auch Governance ist wichtig: Das Projekt-Team der Auto-Blockchain muss sich einigen, wie man neue Teilnehmer aufnehmen will. Und wie man die Blockchain betreiben soll. Matthias Loepfe: “Begleitend dazu analysieren wir die Governance für das System, schärfen es und setzen es um.”Cardossier strebt eine Art föderalistisches System an. “Vielleicht spielt die Schweiz deshalb eine entscheidende Rolle bei der Blockchain-Technologie, weil dieses Denken bei uns Tradition hat”, sagt Cardossier-CTO Matthias Loepfe.
Auto-Blochchain: Start mit der Mobile-App
Die Plattform besteht aus zahlreichen Smart Contracts. Die Applikationen der Mitglieder sind angebunden an das Cardossier-Netzwerk. Die Mitglieder starten die Funktionalität aus der eigenen Applikation heraus oder der Endkunde startet sie über die eigene Mobile-App oder die Webseite.
Vielleicht spielt die Schweiz deshalb eine entscheidende Rolle bei der Blockchain-Technologie, weil dieses Denken bei uns Tradition hat
Cardossier-CTO Matthias Loepfe
Würde nicht eine zentrale Datenbank reichen?
Die Frage stellt sich, ob nicht auch eine zentrale Datenbank reichen würde. Doch nur eine Blockchain ist in der Lage, die Friktion bei den Geschäftsprozessen wesentlich zu reduzieren. Matthias Loepfe: “Eine zentrale Datenbank hat keine Akzeptanz und ist nicht zielführend. Würden wir mit einer zentralen Datenbank arbeiten, hätte immer noch jedes Mitglied seine eigene Version der Daten in einer lokalen Datenbank.” Die vielen Versionen lassen sich zwar dank Digitalisierung einfacher abgleichen. “Es bleiben aber separate, nicht einheitliche Versionen.” Deshalb ist Loepfe überzeugt: “Nur eine Blockchain, also eigentlich eine verteilte Datenbank, kann dieses Problem effizient lösen.”
Ausbau und Erweiterung geplant
Cardossier plant innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre, öffentliche Instanzen verstärkt einzubeziehen. Auch bei Versicherungen könnten sich interessante Optionen ergeben. Denkbar ist die Hinterlegung eines digitalen Versicherungsnachweises. Das spart Versicherungen Verwaltungsaufwand. Zudem liessen sich Service- und Reparaturnachweise einpflegen. Zunächst können nur direkte Cardossier-Vereinsmitglieder auf die Plattform des Projekts zugreifen. In einer späteren Ausbaustufe sollen auch Privatpersonen Zugang zu individuellen Fahrzeugdaten erhalten. Autobesitzer, welche das Dossier beim Verkauf nutzen, sollen gegen Bezahlung Zugang zu individuellen Fahrzeugdaten erhalten. Auch die Kollaboration mit Online-Autohandelsplätzen bietet neue Möglichkeiten.
Wie will sich Cardossier finanzieren?
Aktuell zahlen alle Vereinsmitglieder von cardossier einen jährlichen Mitgliedsbeitrag in Höhe von maximal 30.000 Schweizer Franken. Noch mehr Engagement können Vereinsmitglieder durch eine besondere Platin-Mitgliedschaft anzeigen. Diese ist aktuell für eine einmalige Eintrittsgebühr in Höhe von 150.000 Schweizer Franken erhältlich. Sobald Cardossier breit durchstartet, dürfte die Finanzierung ein zentrales Thema sein. Bleibt abzuwarten, ob die Auto-Blockchain sich in Zukunft im realen Markt durchsetzen kann.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Cardossier ist vereinfacht ausgedrückt ein Notizbuch, in das die Daten zu einem einzelnen Fahrzeug notiert werden. Das können Angaben zum Kilometerstand, zu Service, Reparaturen und Unfällen sein. Das Dossier erweitert sich mit zunehmendem Alter des Autos. Da es die Daten in die Blockchain schreibt, sind sie unveränderlich und fälschungssicher. Alle Beteiligten – Behörden, Autohändler, Käufer, Garagen, Versicherungen – haben die Sicherheit, dass die Daten stimmen.
Die Auto-Blockchain speichert alle Daten zu einem Fahrzeug. Und zwar von der Inverkehrsetzung bis zum Schrottplatz. Der gesamte Lebenszyklus des Fahrzeugs wird gespeichert. Dazu gehören auch Angaben zu Unfällen, Servicedaten oder Reparaturen. Die Daten sind dank Speicherung in der Blockchain fälschungssicher. Alle am Autohandel beteiligten Personen und Institutionen erhalten dank Auto-Blockchain mehr Sicherheit. Mit Cardossier gibt es weltweit das erste Projekt, das eine Auto-Blockchain einsetzt.