Die Blockchain-Technologie ist die Innovation von Satoshi Nakamoto. Ohne diese Technologie wären die Kryptowährungen schlicht nicht möglich. Die nächste Neuerung trieb Vitalik Buterin mit seiner Ethereum-Blockchain voran. Man spricht auch von “Blockchain 2.0”. Ethereum ermöglichte zum ersten Mal die Entwicklung von dezentralen Applikationen (dApps) und Smart Contracts.
Die Geschichte der Smart Contracts
Bei den Smart Contracts war Nick Szabo der erste, der das Konzept von intelligenten Verträgen vorstellte. Das war im Jahr 1994. Dazu veröffentliche er den Artikel “Formalizing and Securing Relationships on Public Networks”. Doch in Deutschland nahm die Anfänge des Smart Contracts niemand so richtig zur Kenntnis. Nick Szabo ist eine interessante Persönlichkeit in der Krypto-Welt. Er ist Computerwissenschaftler, Rechtsgelehrter und Experte für Kryptografie. Manche halten ihn für den wahren Satoshi Nakamoto. Im Jahr 1998 veröffentliche er “Bit Gold”, einen Vorläufer von Bitcoin.
Laut seiner Definition sind Verträge “Versprechungen, die auf einer Begegnung von Ansichten” beruhen. Diese Versprechungen formalisieren sich schliesslich zu Verträgen, die durch das Gesetz geschützt sein können. Die digitale Transformation und das Internet schaffen neue Möglichkeiten, doch Vertragssicherheit können sie nicht garantieren. Algorithmen und Tools von Drittanbietern können hier Abhilfe schaffen.
Ethereum: von Beginn an mit Smart Contracts
Doch es sollte noch eine Weile dauern, bis die smarten Verträge ihren Einzug in die Welt der Kryptowährungen hielten. Bitcoin selbst war Smart Contract-fähig (was sich allerdings mit Taproot ändern könnte). Die Kryptowährung Nummer eins fokussiert sich allein auf die Funktion als Wertspeicher und digitales Zahlungsmittel. 2015 ging die Ethereum-Blockchain online. Die Schöpfung von Vitalik Buterin, Gavin Wood und Jeffrey Wilcke stieg bald zur Nummer 2 der Kryptowährungen nach Marktkapitalisierung auf. Von Anfang an ging es dabei um Smart Contracts und dezentrale Applikationen.
Eine gemeinsame, globale Plattform
Es entstand ein neues Ökosystem auf der Basis der Blockchain. Das Ergebnis ist eine Art “Welt-Computer”. In einem Interview mit dem Havard International Review erklärt Vitalik Buterin: “Der Gedanke hinter der Welt-Computer-Metapher ist, dass Ethereum eine gemeinsame, globale Plattform darstellt. Eine Plattform, auf der jeder diesen Code, den wir Smart Contracts nennen, hochladen kann. Jeder kann sie veröffentlichen, kann an sie Transaktionen senden, um mit ihnen zu interagieren, und der Code kann auf der Blockchain laufen.” Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Smart-Contract-Plattformen. Diese umfassen Kryptos wie Ethereum (ETH), Cardano (ADA), Polkadot (DOT) oder Tezos (TRX). Fan-Tokens wie Chiliz oder neue Tokens wie Dohrnii setzen auf Smart Contracts.
Wie genau funktionieren Smart Contracts?
Eigentlich handelt es sich bei Smart Contracts um Protokolle, die bestimmte Aufgaben selbstständig ausführen. Aber nur dann, wenn vordefinierte Bedingungen eintreten. Die Protokolle sind Code und agieren genauso, wie die Entwickler sie programmiert haben. Darin liegt auch einer ihrer grossen Vorteile: Sie sind unvoreingenommen und fair gemäss ihrer Programmierung. Ihr Code ist öffentlich und transparent auf der Blockchain gespeichert. Auch Anleger oder Interessierte in Deutschland – wir alle – können den Code einsehen und überprüfen. Von Vorteil ist es, über Programmierkenntnisse zu verfügen. Und prüfen, ob auch alles mit rechten Dingen zugeht.
Digitale Verträge laufen meist automatisch
Meistens basieren die digitalen Verträge auf sogenannten “Wenn-Dann-Funktionen”. Sobald ein bestimmtes Ereignis eintritt, bestimmte Informationen zur Verfügung stehen, führt der Vertrag automatisch die vorgeschriebenen Schritte aus. Ein menschliches Zutun ist dabei nicht notwendig. Dafür gibt es alle möglichen Anwendungsbereiche. Ein wichtiges Thema im Krypto-Space der vergangenen Jahre ist “Decentralized Finance”. Auch hier sind es die digitalen Verträge, die den Handel mit Kryptowährungen automatisch abhandeln. Und das mit geringem Aufwand, schnell und ohne zusätzliche Kosten.
Die Vorteile von Smart Contracts
- Automatisierung: Die Verträge agieren autonom, selbstständig und grösstenteils ohne menschliches Zutun. Sobald die im Code festgeschriebenen Bedingungen eintreten, führen die Verträge sofort die Funktionen aus. Kein Bürokrat muss erst seinen Stempel zur Bestätigung geben oder alles überprüfen überprüfen. Der gesamte Vorgang ist schneller und günstiger als vergleichbare Transaktionen.
- Neutralität: “Code is Law” lautet das Motto. Die Blockchain führt die Aufgaben genau so aus, wie sie im Code festgeschrieben sind. Sie diskriminieren nicht und lassen sich auch nicht manipulieren. Jeder kann erwarten, wie jeder andere behandelt zu werden. In diesem Sinne sind die Contracts auch “trustless”. Das bedeutet nicht, dass man ihnen nicht vertrauen kann. Stattdessen ist Vertrauen schlicht nicht notwendig.
- Transparenz: Der Code befindet sich vollkommen öffentlich auf der Blockchain. Jeder kann ihn überprüfen und sich vergewissern, dass er auch fair und fehlerfrei ist. Was der Contract enthält, die Bedingungen, Faktoren und wie er agiert: Alles ist für jedermann überprüfbar.
- Sicherheit: Auch bei den programmierten Verträgen greift die kryptografische Verschlüsselung der Blockchain-Technologie. Somit lassen sich die Verträge nur extrem schwer oder gar nicht manipulieren oder umschreiben. Dafür müssten Hacker Unmengen an Rechenleistung oder finanzielle Mittel aufbringen. Es ist einfach nicht praktikabel. Weiterhin speichert die Blockchain alle relevanten Daten fälschungssicher. Und Gesetze wie in der Schweiz das DLT-Gesetz regeln Blockchain-Geschäfte.
- Kein Papierkram: Da alles rein digital abläuft, brauch es keine Dokumente oder andere physische Speichermedien. Viele Smart-Contract-Plattformen setzen auf Proof-of-Stake, verbrauchen damit also kaum Energie.
Nachteile von Smart Contracts
Die Ausführung von Smart Contracts auf Blockchains ist mit Risiken im Bereich des Datenschutzes und der IT‑Sicherheit verbunden, wie folgende Punkte zeigen:
- Nur so gut wie ihr Code: Keine Software kann jemals perfekt sein. Letztlich sind es Menschen, welche die digitalen Verträge schreiben. Und diese können ebenfalls Fehler machen. Im schlimmsten Falle kann das zu Schäden in Milliardenhöhe führen. DeFi-Hacks mehren sich. So erbeuteten Hacker im August 2021 ganze 600,3 Millionen US-Dollar, indem sie sich einen Exploit im Poly Network zunutze machten.
- Risiko IT-Sicherheit: Als Beispiel dient die Ethereum-Blockchain. Ein signifikanter Anteil der auf der Ethereum-Blockchain ausgeführten Smart Contracts enthalten Verweise auf veränderbare Daten oder andere Smart Contracts. Dies berichtet Swiss Infosec. Das heisst: Sie funktioniert nicht ohne Vertrauen in Dritte, wie es das Ethereum-System den Nutzern verspricht. Immerhin prüfen viele Beobachter den Open-Source-Code der Systeme und decken Fehler auf.
- Unklare rechtliche Lage: Bis heute tut sich der Gesetzgeber schwer, wie er automatische, digitale Verträge einordnen soll. Die Automatisierung verschiedenster Vorgänge führt zu rechtlichen Unsicherheiten, wenn es darum geht, für Schäden und Rechtsbrüche zu haften.
- Unflexibel: Sobald die Daten auf der Blockchain landen, stehen sie fest. Korrekturen lassen sich nur schwer vornehmen und der Nutzer hat kaum Möglichkeiten, Widerruf einzulegen.
- In sich geschlossen: Sowohl die Smart Contracts als auch die Blockchains bilden in sich geschlossene Systeme. Als solche haben sie Schwierigkeiten, an Daten der realen Welt zu kommen. Daher sind Smart-Contract-Plattformen auf Drittparteien angewiesen, welche diese Daten bereitstellen können. Und das bietet weitere Einfallstore für Manipulationen oder Fehler. Oracle-Dienste sollen hierbei Abhilfe schaffen.
Anwendungsbeispiele und Nutzen der Smart Contracts
Zentral sind bei der Anwendung der Verträge die Automatisierung und Beschleunigung von Prozessen. Ausserdem speichern die intelligenten Verträge die Inhalte und Daten fälschungssicher auf. Verschiedenste Anwendungsbereiche kommen hierfür in Frage:
- Finanzen: Wie der DeFi-Bereich zeigt, besteht eine Nachfrage nach schnellen, unbürokratischen Finanzprodukten. Kryptos als Zahlungsmittel sind für viele die Zukunft. Die digitalen Verträge schaffen Vertrauen, weil kein Vertrauen notwendig ist, und bereiten Daten transparent auf. Dass selbst das Bankwesen ein Interesse an der Blockchain-Technologie und den digitalen Verträgen hat, zeigt das R3 Consortium. Dieses besteht unter anderem aus der Commonwealth Bank of Australia, Danske Bank, der ING Bank und vielen mehr.
- Logistik: Die Blockchain lässt sich dazu nutzen, den Fertigungs- und Transportweg überall auf der Welt transparent nachzuverfolgen. Die gesamte Lieferkette lässt sich mithilfe von digitalen Verträgen automatisieren, von der Fertigung bis zur Annahme durch den Kunden. Alle Teilnehmer haben Zugriff auf die Liefer- und Produktdaten und können sie jederzeit überprüfen. Die möglichen Anwendungen reichen bis hin zu Smart Factories oder Smart Cities.
- Gesundheitswesen: Patientendaten lassen sich mithilfe der Blockchain-Technologie dezentral verwalten. Patienten können selber entscheiden, welche Daten sie wem zur Verfügung stellen. Ärzte, Krankenhäuser und Versicherungen erhalten Zugriff auf die Daten und müssen keine individuellen Akten anlegen.
- Versicherungen: Die intelligenten Verträge entscheiden allein auf der Grundlage ihrer Programmierung, wie ein Versicherungsfall zu behandeln ist. Beispiel Autounfall: Ein Versicherter bringt seinen Wagen zu einer Werkstatt. Die Werkstatt überprüft die Schäden und gibt die Reparaturkosten an die Versicherung weiter. Der Contract überprüft die Daten und wenn alles korrekt ist, überweist er die Gelder. Damit wird der Vorgang entbürokratisiert und beschleunigt. Versicherte können sich über eine neutrale und faire Behandlung freuen. Die Blockchain spielt auch beim Projekt Cardossier eine Rolle.
- Abstimmungen: Abstimmungen lassen sich mithilfe der Blockchain transparent und manipulationssicher aufzeichnen. Gekoppelt an ein ID-System können digitale Verträge dafür sorgen, dass bei der Abstimmung alles korrekt abläuft. Dieses Prinzip lässt sich auf Regierungen, Vereine und Organisationen anwenden.
- Tokenisierung: Immobilien, Kunstwerke, Oldtimer, Wein, Aktien und vieles mehr lässt sich tokenisieren. Die intelligenten Verträge automatisieren diesen Prozess und stellen sicher, dass Besitzverhältnisse eindeutig gesichert sind. Die Blockchain-Technologie selbst ermöglicht die Tokenisierung der Assets.
Worauf muss ich als Anleger achten?
Smart Contracts sind ein Stück Zukunft, ein wichtiges Instrument auf den Weg hin zu mehr Digitalisierung. Kryptowährungen mit intelligenten Verträgen gehören deshalb zu den aussichtsreichen Investitionen. Das zeigt sich bereits an Ethereum, der Nummer 2 gleich nach Bitcoin. Ethereum ist allerdings nicht der einzige Kandidat. Weitere Plattformen wie Cardano und Polkadot stehen als Konkurrenten bereit.
Über den Erfolg dieser Kryptowährungen entscheiden letztlich, wie sehr man sie nutzt. Je mehr Nutzer es gibt, je mehr Programmierer dApps schreiben, je grösser das Netzwerk, desto erfolgreicher die Kryptowährung. Es ist daher wichtig, die fundamentalen Daten bei potentiellen Investitionen zu berücksichtigen. Blockchains, die den Anschluss an die reale Welt finden und einen Use Case bieten können, werden als Gewinner dastehen.
Was sind Dezentrale Applikationen (dApps)?
Im Grunde sind dezentrale Applikationen (dApps) wie normale Apps. Es handelt sich bei ihnen um Software mit verschiedensten Aufgaben. Allerdings sind sie dezentral, da sie auf dem Peer-to-Peer-Netzwerk der Blockchain laufen. Damit spart man sich den Mittelmann, die Interaktion ist sofortig, günstig und die Daten sind sicher auf dem Distributed Ledger gespeichert.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Je nach Blockchain sind die Programmiersprachen unterschiedlich. Ethereum etwa verwendet Solidity, eine eigens dafür entwickelte Programmiersprache. EOS unterstützt C++ und bei NEO lassen sich Verträge mit JavaScript oder JAVA programmieren.
Die Anwendungen sind zahlreich und könnten in Zukunft jeden Lebensbereich umfassen. Intelligente Verträge lassen sich in der Logistik, bei Versicherungen, Abstimmungen, im Gesundheitswesen, Finanzen und Handel sowie bei der Tokenisierung einsetzen.
Sie sind so sicher, wie sie programmiert wurden. Letztlich sind es auch nur Menschen, die den Code schreiben, und Menschen machen Fehler. Allerdings steht der Code jedem frei zur Verfügung. Jeder kann ihn überprüfen und somit auf Fehler hinweisen oder einen besseren Code schreiben.