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Token-Anleger aufgepasst: Risiko Schuldverschreibung

Was vielen Investoren in der Schweiz bei der Tokenisierung nicht bewusst ist: Wenn sie in Tokens investieren, kaufen sie nicht wirklich Immobilien, Kunstwerke oder Autos. Sie besitzen bloss Anteile an einer sogenannten “tokenisierten Schuldverschreibung”. Diese ist nachrangig – und riskant.

Die Blockchain zerstückelt illiquide Vermögenswerte in kleinste Anteile. Sie macht sie ohne Intermediäre handelbar und erschliesst Kleinanlegern so Asset-Klassen mit traditionell hohen Zugangsbarrieren. So weit, so gut. Die Tokenisierung schreitet voran und lockt Investoren an. Mittlerweile können Anleger in ganz unterschiedliche Vermögenswerte investieren – angefangen bei der Tokenisierung von Immobilien über Oldtimer-Tokens, Kunst und Wein bis hin zu Diamenten. Dabei handelt es sich fast immer um sogenannte “Security Tokens”.

Keine direkte Beteiligung an Sachwerten

Was bei Angeboten für tokenisierte Wertgüter nicht auf den ersten Blick erkennbar ist: Als Security-Token-Besitzer gehört Ihnen als Anleger nicht ein Teil des Geschäftshauses, des Kunstwerks oder Diamanten. Sie besitzen bloss Anteile an einer sogenannten “tokenisierten Schuldverschreibung” (siehe Box weiter unten). Dies steht auch im Kleingedruckten von Token-Anbietern. Nur überlesen unbedarfte Investoren auch in der Schweiz das gerne nach dem Motto: Tönt kompliziert, darüber informiere ich mich später.

Tokenisierte Schuldverschreibung ist zentral

Die deutsche BaFin ordnet Tokens als Wertpapiere eigener Art ein. Ebenso verfahren die österreichische Finanzmarktaufsicht FMA und die Schweizer FINMA. Dabei ist der Aspekt der Schuldverschreibung im Tokenisierungs-Geschäft zentral. Für den Anleger heisst das:

  • Jeder Token repräsentiert einen Anteil an einer tokenisierten Schuldverschreibung.
  • Diese funktioniert wie eine klassische Anleihe. Sie überträgt schuldrechtliche Ansprüche an einem Vermögenswert auf Investoren.
  • Anbieter wie Finexity oder Exporo gründen für jedes Security Token Offering eine eigene Zweckgesellschaft. Diese verspricht im Gegenzug in den Bedingungen zur Schuldverschreibung, Zinsen auszuschütten und den Betrag am Ende der Laufzeit zurückzuzahlen.

Token-Besitzer sind eigentlich Kreditgeber

Wenn Sie in Tokens investieren, geben Sie dem Anbieter einen Kredit. Den nutzt er für den Kauf der Immobilie, des Autos oder des Diamanten. Die Zinsen für das Darlehen setzen sich meist aus einem festen Satz und einen variablen Anteil an den Erlösen aus der Nutzung zusammen. Auf ein Immobilieninvestment bezogen sind das die Mieteinnahmen, bei einem Kunstwerk die Einnahmen aus dem Verleih für Ausstellungen. Zusätzlich profitieren Sie von der Wertsteigerung beim Verkauf. Die kann aber niemand garantieren.

Portrait von Peter Mattil, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in München

Token-Inhaber tragen ein hohes Risiko. Sie haben nicht nur eine ungünstige, nachrangige Stellung. Sie leihen ihr Geld oft auch sehr jungen Firmen mit neuartigen Geschäftsmodellen.

Peter Mattil, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in München

Tokenisierte Schuldverschreibungen sind nachrangig

Der Haken: Tokenisierte Schuldverschreibungen sind sogenannte “Nachrangdarlehen”. Die sind nicht unüblich. Auch das klassische Crowdfunding nutzt sie. Für Anleger sind sie riskant. Denn:

  • Schuldverschreibungsinhaber stimmen einem “Rangrücktritt” zu. Im Insolvenzfall bekommen erst Geld, wenn sämtliche Forderungen anderer Gläubiger beglichen sind.
  • Es besteht nur ein “Gleichrang” mit anderen nachrangigen Gläubigern. Alle, die erst zum Schluss bedient werden, bekommen also gleichviel von dem, was dann nicht mehr übrig ist.
  • Der Emittent kann Nachrangforderungen nur aus einem frei verfügbaren künftigen Jahres- oder Liquidationsüberschuss tilgen. Sprich: Selbst, wenn noch Geld da ist, muss er es nicht notwendigerweise auszahlen.
  • Schuldverschreibungsinhaber tragen damit ein Verlustrisiko, das über das allgemeine Insolvenzausfallrisiko noch hinausgeht.

Vorteilhaft für die Anbieter, riskant für Anleger

Hauptvorteil von Nachrangdarlehen für Unternehmen, welche tokenisierte Finanzprodukte anbieten: Sie verschaffen sich mehr unternehmerischen Spielraum. Anleger profitieren dafür zum Beispiel von einer höheren Rendite der Immobilien-Tokens. Das Konstrukt ist unproblematisch, solange das Krypto-Projekt sich wie geplant entwickelt. Gerät der Token-Anbieter in finanzielle Schieflage und es kommt zur Insolvenz, gucken Anleger in die Röhre: Sie bekommen ihre Einlage erst zurück, wenn alle anderen Gläubiger ihr Geld haben. Falls dann noch etwas da ist. Peter Mattil, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in München warnt zudem vor einer weiteren Gefahr: “Token-Inhaber tragen ein hohes Risiko. Sie haben nicht nur eine ungünstige, nachrangige Stellung. Sie leihen ihr Geld in der Regel auch sehr jungen Unternehmen mit neuartigen Geschäftsmodellen.”

Schuldverschreibungen in einem Ordner gesammelt
Tokenisierte Schuldverschreibung: Wenn sie zum Thema wird, ist es für Anleger oft zu spät.

Anleger tragen das volle unternehmerische Risiko

Und es kommt noch besser: In der Regel handelt es sich bei Token-Investments um tokenisierte Schuldverschreibungen mit sogenanntem “qualifiziertem Rangrücktritt”. Das bedeutet, dass Sie als Investor nicht erst im Insolvenzfall ein Problem haben. Die Ansprüche auf Zinsen und Rückzahlung des Darlehens können Sie schon dann nicht geltend machen, wenn dadurch ein Insolvenzgrund für den Darlehensnehmer herbeigeführt würde. Mit anderen Worten: Der Geldabfluss stoppt, wenn der Fortbestand der Objektgesellschaft, die Ihre Immobilie oder Ihr Kunstwerk finanziert hat, akut gefährdet ist. Schweizer Investoren tragen bei qualifizierten Nachrangdarlehen das volle unternehmerische Risiko mit – bis zum Totalausfall.

Jedes Investment hat ein Risiko

Diamant-Token zu kaufen birgt wie jedes Investment diverse Risiken. Anders als bei einem Gemälde, das zerstört werden kann, ist die Gefahr eines Totalverlusts bei einem Diamanten eher theoretischer Natur. Der Wert eines Edelsteins und damit die Rendite beim Verkauf ist aber stark abhängig von Angebot und Nachfrage.

Was ist eine Schuldverschreibung?

Schuldverschreibungen – auch Anleihen, Rentenpapiere oder Obligationen genannt – sind Wertpapiere, für die Investoren im Regelfall Zinsen erhalten. Mit einer Schuldverschreibung überlässt der Anleger dem Emittenten – dem Aussteller der Schuldverschreibung – einen bestimmten Betrag für einen gewissen Zeitraum – die Laufzeit. Damit gewährt er einen langfristigen Kredit. Inhaber von Schuldverschreibungen sind nicht wie Aktionäre Teilhaber, sondern Gläubiger. Der Emittent verpflichtet sich gegenüber diesen, die Schuld am Ende der Laufzeit zurückzuzahlen.

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Ist der Security-Token-Besitzer direkt am Vermögenswert beteiligt?

Nein. Wenn Sie in ein tokenisiertes Wertgut investiert haben, zum Beispiel eine Immobilie oder in Wein, sind Sie nicht direkt am Vermögenswert beteiligt. Sie besitzen bloss Anteile an einer tokenisierten Schulverschreibung. Sie gewähren dem Unternehmen damit ein Darlehen, das es verwendet, um den Vermögenswert zu kaufen und verwahren.

Warum sind tokenisierte Schuldverschreibungen nachrangig?

Unternehmen, die sich über nachrangige Anleihen finanzieren, haben mehr unternehmerischen Spielraum und verschaffen sich Luft im Insolvenzfall. Deshalb sind Nachrangdarlehen für Anbieter von tokenisierten Produkten attraktiv. Investoren tragen ein höheres Risiko, bekommen dafür aber auch höhere Zinsen.

Warum sind tokenisierte Schuldverschreibungen riskant?

Weil es sich um nachrangige Schuldverscheibungen handelt. Nachrangigkeit bedeutet, dass Sie als Investor im Falle einer drohenden Insolvenz mit Ihren Ansprüchen an Zinsen und Rückzahlung als letzter in der Schlange stehen. Alle anderen Gläubiger bekommen vor Ihnen Geld. Bei einem qualifizierten Rangrücktritt verzichten Sie sogar schon auf Zinsen, wenn deren Zahlung das Unternehmen in finanzielle Probleme bringen würde.

Sabine Melichar

Redakteurin | MBA Universität Köln / San Diego State University
Schwerpunkte: Tokenisierung | Digitalisierung von Unternehmen | Berufsbildung | Gesellschaft

Sabine Melichar

Redakteurin | MBA Universität Köln / San Diego State University
Schwerpunkte: Tokenisierung | Digitalisierung von Unternehmen | Berufsbildung | Gesellschaft