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Kunst-Tokenisierung: NFTs als Novum für Investoren und Künstler

Um die Tokenisierung der Kunst zu verstehen, muss man die Rollen der beteiligten Akteure betrachten: Es gibt Plattformen, die als Kunstsammler und Verkäufer auftreten. Und die Künstler selbst, die ihr Schaffen über Kunst-NFTs anbieten. Der Markt verändert sich auch in der Schweiz.

Da sind zum einen die Verkaufsplattformen, die im Internet als Kunstanbieter auftreten: Diese Firmen kaufen selbst Kunstwerke, Bilder oder Skulpturen und investieren dafür Millionen. Im Grunde genommen befinden sich diese Plattformen in der Rolle eines Kunstsammlers. Nur belassen sie es nicht beim Sammeln, sondern sie bieten die Kunst gleich wieder zum Verkauf an.

Das grosse Publikum soll Kunst-Tokens kaufen

Zum Beispiel ein Bild von Picasso. Die Plattform bietet das Bild uns allen auf ihrer Homepage an. Mit “uns allen” ist folgendes gemeint: Es sind nicht die vermögenden und reichen Kunstmäzen gefragt. Sondern das grosse Publikum in der Schweiz, das weniger Geld für Investments zur Verfügung hat und gemeinhin nicht in Kunst investiert. Die Plattform bietet nun also dem grossen Publikum den Picasso über die Tokenisierungs-Technik und die Blockchain an. Und zwar “gestückelt”: Viele Kleininvestoren können bereits ab wenigen Franken einen Anteil am Bild erwerben.

Tokenisierung: neue Form des Kunstinvestments

Zum Beispiel auf dem Marktplatz von Finexity mit Sitz in Hamburg. Ab 500 Euro bereits besitzt man dort ein Bild von Andy Warhol oder Keith Haring – nicht als Ganzes, sondern einen Teil davon. Zusammen mit anderen Investoren. Sie alle profitieren bei der Anlage von der Tokenisierung, einer neuen Form des Kunstinvestments. Auch in der Schweiz entsteht ein Markt für tokenisierte Kunst.

Die Tokenisierung funktioniert bei den meisten Plattformen wie folgt:

  • Als erstes leitet die Tokenisierungs-Plattform die Kuratierung in die Wege: Spezialisten suchen auf dem Markt geeignete Kunstwerke. Darauf folgt die Due-Diligence-Prüfung.
  • Investoren können die Details des Gemäldes, seine Geschichte, den Zustandsbericht einsehen. Dazu gehören auch hochauflösende Bilder des Kunstwerks und seine vollständige Provenienz.
  • Es folgt die Tokenisierung: Es werden “Asset Tokens” geprägt, die das gemeinsame Eigentum an dem Kunstwerk repräsentieren. Ein Kunstwerk wird dabei quasi in kleine Teile “zerstückelt” und über die Blockchain tokenisiert auf den Markt gebracht.
  • 1 Token entspricht zum Beispiel 1 Euro. Das Andy Warhol Bild “Cow” (1971) kostet 25 000 Euro. Erwirbt man 500 Tokens, besitzt man entsprechend einen kleinen Anteil dieses Kunstwerks.
  • Steigt der Wert des Bildes im Verlauf der Jahre, partizipiert man als Investor am Gewinn. Denn nach einer gewissen Zeitspanne kann man seine Tokens über die Plattform an einen interessierten Käufer wieder verkaufen und erhält den Gegenwert in Euro zurück.
Digitale Bilder und Kunstwerke in einer Galerie.
Kunstwerke als Asset Tokens beleben den Markt.

Warnung vor Verlust durch Krypto-Kunst

Doch es droht auch Verlust: Konsumentenschützer warnen vor riskanten Anlagen und undurchsichtigen Plattformen im Internet. Ein Kunstwerk kann an Wert verlieren, Renditen sind nicht garantiert. Die Gefahr: Aus einem Plus von 6% wird schnell ein Minus von 10%. Kryptokunst ruft auch Betrüger auf den Plan, die unerfahrene Kleinanleger über den Tisch ziehen möchten. Die etablierte Plattform Finexity setzt auf Transparenz. Sie bietet gemäss eigener Webseite den Investoren an, die Kunst-Unikate nach Absprache vor Ort zu besichtigen.

Künstler bieten Kunst-NFTs an

Künstlerinnen und Künstler können ihre Kunstwerke aber auch selbst anbieten und tokenisiert verkaufen. Sie tun das, indem sie ihr Kunstwerk zu einem sogenannten “NFT” machen – einem Non Fungible Token. Das ist ein eindeutiges “nicht ersetzbares” kryptografisches Token. Es ist über die Blockchain generiert, einmalig und weder austauschbar noch replizierbar.

Das heisst: Schweizer Kunstschaffende können aus einem analogen ein digitales NFT Kunstwerk machen. Auch ältere Künstler machen bei der digitalen Entwicklung mit und berichten von ihren Erfahrungen mit Kunst-NFTs. Wie aber erstellt man die digitalen Kunstwerke? Das geht vereinfacht erklärt wie folgt:

  1. Der Künstler macht zuerst ein Foto, zum Beispiel von einem Gemälde, das er gemalt hat.
  2. Oder der Künstler erstellt das Kunstwerk gleich digital – materiall ist es gar nie vorhanden. Zum Beispiel eine Illustration, ein Video, 3D-Modell oder ein künstlerisch verziertes Foto.
  3. Die digitale Datei liesse sich nun beliebig oft kopieren, ohne dass jemand einen Unterschied bemerken würde.
  4. Jetzt generiert die Blockchain-Technologie aus der Kunstwerk-Datei ein NFT Token. Das Token besitzt eine einmalige, nahezu fälschungssichere Signatur- Diese macht es zu einem digitalen Original.
  5. Dieses NFT kann der Künstler nun auf einer Verkaufsplattform zu Verkauf anbieten.
Portrait von Marcelo García Casil, Gründer und CEO von Maecenas.

Wir wenden uns nicht an Kunstexperten – sondern an Menschen, die vielleicht zum ersten Mal in Kunst investieren.

Marcelo García Casil, Gründer und CEO von Maecenas. Experte am Fintech-Programm der Universität Oxford.

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielt die Blockchain bei Kunst-NFTs?

Wer zum Beispiel bei der Kunsthandelsplattform Maecenas einen Anteil an einem tokenisierten Kunstwerk erwirbt, investiert in Asset-Token. Das sind sichere Blockchain-Token mit Ethereum ERC20-Standard. Das ERC20 Protokoll stellt sicher, dass die Kunst-Tokens mit Ethereum kompatibel sind. Man kann sie auf gängigen Krypto-Wallets speichern und auf globalen Krypto-Börsen handeln.

Kann ich Kunst-NFTs auch bei meiner Bank kaufen?

Nein. Da Finanzinstitute Kunst in der Regel nicht als “Anlageklasse” einstufen, können sie auch keine Verwaltungsgebühren fürs Portfolio verlangen. Daher haben sie keinen Anreiz, ihre Kunden über potenziell lukrative Investitionsmöglichkeiten in Kunst zu informieren.

Welche Vorteile habe ich, wenn ich in Kunst-NFTs investiere?

Als Investor weiss man, was man fürs Investment bekommt. Zwischenhändler, Provisionen und Gebühren von Auktionshäusern oder Gallerien fallen weg. Der Kunstmarkt ist historisch gesehen undurchsichtig mit wenig bis gar keiner Preistransparenz. Es handelt sich um einen unregulierten und ineffizienten Markt ohne Registrierstellen und ohne Standardschutz für Investoren. Wertbestimmende Faktoren – Titel, Authentizität, Zuschreibung – sind schwer zu bestimmen.

NFT-Handelsplattformen für Kunstwerke

Die NFT’s kann man auf Plattformen wie opensea.io oder superrare.co  einstellen und handeln. Die Verkaufspreise reichen von Cent-Beträgen bis mehreren Tausend Euro. Eine der weltweit führenden Plattformen ist Maecenas. Diese Blockchain-basierte Plattform ermöglicht es, Kunst zu kaufen, zu verkaufen und Teileigentum an der Kunst auf der liquiden Börse zu handeln. Maecenas-CEO Marcelo Garcia-Casil sagte zu CNN: “Wir wenden uns nicht an Kunstexperten – sondern an Leute, die vielleicht zum ersten Mal in Kunst investieren.” Für sie sei das quasi die erste Börsenerfahrung.

Asset-Tokens sind wie Aktien für Kunstwerke

Maecenas stückelt Multimillionen-Dollar-Kunstwerke in “Asset-Token”. Der Kauf eines Asset-Tokens ist wie der Kauf einer Aktie an einem Kunstwerk. “Diese Plattformen agieren quasi wie Galerien. Nur hat dort nie jemand Kunst studiert. Sie kontrollieren aber, wer welche Kunst zum Verkauf anbietet”, sagt der New Yorker Künstler Kenny Schachter. Er ist Kurator, Kunstkritiker, Künstler und Kolumnist in einem und macht seit den frühen 1990er-Jahren Krypto-Kunst.

Sind digitale Dateien tatsächlich noch Kunst?

Aber sind digital handelbare Dateien denn immer noch Kunst? “Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen einem Gemälde, einer Skulptur und einer Datei”, sagt Schachter. “Manches ist gut, anderes nicht. Kunst ist Kunst. Punkt.” Kritische Kunstbegeisterte monieren aber, NFTs könne man nicht real ausstellen und zeigen. Für Schachter sind solche Einwände unzutreffend. “Man kann ein NFT kaufen und es ausdrucken. Auf diese Weise man kann das NFT-Gemälde als digitales Werk trotzdem an die Wand hängen.”

Portrait von Kenny Schachter, NFT- und Digital-Künstler.

Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen einem Gemälde, einer Skulptur und einer Datei. Kunst ist Kunst. Punkt.

Kenny Schachter, NFT- und Digital-Künstler, Kurator und Kolumnist in New York und Zürich

Kontakt vom Künstler zum Investor ist direkter

Für Kunstsammler eröffnet sich ein neuer, spannender Markt. Denn immer mehr etablierte Künstlerinnen und Künstler entdecken die Möglichkeit, Kunst-NFT zu erstellen. Der Kontakt zwischen Sammlern, Investoren und Künstlern wird durch die NFT-Plattformen direkter. Auch Künstler mit einem grossen Namen wollen den Zug der Tokenisierung nicht verpassen. Der analoge und der tokenisierte Kunstmarkt dürften sich gegenseitig beeinflussen.

Doch es gibt auch Kritiker des NFT-Hypes, wie zum Beispiel Max Hollein, Direktor des Metropolitan Museum in New York City. “Die Mega-Deals mit digitalen Kunstwerken dienen vor allem als Propaganda für das Zocken mit Kryptowährungen”, sagt Hollein in der Presse. Er habe noch keinen Kunstsammler gesehen, der mit Kryptowährungen Millionen NFTs gekauft hat.

Die Chancen der Tokenisierung für Künstler

Für viele Künstler ergeben sich völlig neue Möglichkeiten. Sie können ihr Angebot direkt auf den NFT-Handelsplattformen einstellen. Plötzlich finden Kunstwerke, die keinen Eingang in ein Museum gefunden haben, ein grosses Publikum. Der Wert von NFT-Kunst kann steigen, auch ohne die Absolution des „offiziellen“ Kunstbetriebes. Traditionelle Auktionshäuser sind nicht beteiligt. Sie verlangen bis zu 25 % Provision für den Verkauf. Galerien bis zu 50%. Die Gebühren etwa der NFT-Kunstplattform Maecenas dagegen liegen bei nur 1% für Käufer und 8% für Verkäufer. Ausserdem gibt es bei Maecenas keine Lagergebühren und keine Sperrfristen. Durch die Blockchain-Technologie gewinnt der Kunsthandel an Sicherheit und Transparenz. In Amerika erlebt die NFT-Kunst einen regelrechten Boom. Viele sprechen bereits von einer "Demokratisierung" des Kunstmarktes. Die Tokenisierung des Kunstmarkts bietet aber auch Künstlern in der Schweiz Chancen. Selbstbewusste Entscheidungen sind möglich, ohne die Vorgabe von Kuratoren. "Anders als in der gemeinhin hierarchischen Kunstwelt ist es nun jedem Künstler möglich, seine Kunst selbst zu verkaufen", sagt Kenny Schachter. "Ähnlich wie Instagram demokratisieren NFTs die Kunstwelt."

Thomas Grether

Journalist | Redakteur | Unternehmer & Umweltwissenschaftler
Schwerpunkte: Tokenisierung | Digitale Transformationsprozesse in Firmen | Internet und Webpublishing | Umwelt

Thomas Grether

Journalist | Redakteur | Unternehmer & Umweltwissenschaftler
Schwerpunkte: Tokenisierung | Digitale Transformationsprozesse in Firmen | Internet und Webpublishing | Umwelt